Darf man Boethius das Loblied auf das reine Denken "verdenken"? Er schrieb es im spätrömisch-ostgotischen Knast, in Erwartung seiner Hinrichtung - wegen angeblichen Hochverrats. In solchen Situationen bleiben nur die Gedanken frei.
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Endlich. Kurz nach der "Wohin?" - fanden (unerwartet schnell - nach einer düsterlichen Nichtlieferbarkeits-Mail seitens des ungenannt bleibenden Onlineversands) auch die Neuauflagen der "Liod" und "In Lichter Farbe..." als Doublette ihren Weg in den Briefkasten. (Wenn ich gewusst hätte, dass auch "Für Euch..." mit einigen "Nachbesserungen" neugemastert erschiene, hätte ich gleich mitbestellt).
Ich muss erstmal Abbitte leisten und erneut auf die Einhaltung eigener Regeln pochen: Schneide nie die iTunes-Hörproben mit! Erstens ergibt sich daraus nur ein unfertiger, furchtbar minderwertiger Flickenteppich (mit dem selbst Aladin nicht abzuheben wüsste) und zweitens schleichen sich u. U. Geräusche ein, die gelegentlich fast an des Meisters Experimente gemahnen... Es ist wie bei Schiffbrüchigen oder in der Wüste verschollenen Existenzen: Man trinkt in der Not aus allen Quellen, auch aus solchen, die einem nicht bekommen. Wenn gar "Helium Vola" draufsteht, wird der Durst übergross, seufz).
Inzwischen sprudelt die "echte" Quelle (oder die Wüste, bzw. der Ozean zeigen dem vor Durst delirierenden eine unerwartet präletale Milde). Helium Volas Quelle "Wohin?" entsteigt eine Mixtur aus belebenden Wassern, linderndem Lethe, geschöpft aus Jordan und Styx, Ganges und Isar, sogar ein paar Wellenspritzer vom Ufer des ostchinesischen Meers sind identifizierbar. Auch ein paar höchst merkwürdige Dinge schwimmen in der/ und "entedelgasen" sich in diese blubbernde(n) Phase der Sternenasche. Vorsicht, nicht zu hastig! (....)
Geblieben sind eine Aversion gegen den "Panzerhymnus" (auf die ich vorerst nicht weiter eingehe, vielleicht findet sich noch ein Zugang?) und "Ich will den sumer gruezen". Letzteres Tanzlied fällt aufgrund _meiner_ dummen Assoziationen durch den Rost, denn es erinnert mich fatal an geschwisterliche Audioattacken in grauslicher Form: Iiihndischu wap wapp -dischubidu schwapp schwapp (...) James Last und Swingin' Singers grüssen aus dem Reich der lebenden Untoten... vergebt mir, doch derart geschundene Gehörgänge hinterlassen eine irreversible akustische Dünnhäutigkeit und ein überschiessendes Ungehaltensein in diesen Dingen - es betrifft ganz besonders die Trommelfelle und die schützenden "Bregen des Neocortex".
Der "Rest" allerdings ist Balsam für die ganze psychoakustische Welt des einst geplagten Knaben: Wunderhorns Mixtur sozusagen, wohin? sie auch führe - noch sind längst nicht alle Pfade ergründet, jede Färbung erkannt - und diese leise lockenden Stimmen? Wohin?
Des Meisters schartige Worte gegen des "Gothics Wohlfühltapete" hörte ich wohl, doch als Nicht-Gothic (btw - seid Ihr hier alle Goths?) und (siehe oben) frühjugendlich schalltraumatisierter Mensch (schneuz) nehme ich mir das Recht und schneide aus E.H.s Fertigware meine ganz eigenen akustischen Tapeten/Duschvorhänge/Weltstadtgraffities. Man möge mich dafür schelten, prügeln oder als Nichtchecker in die Ecke stellen - ich mache es trotzdem und erfreue mich an den fliessend-verkreuzten Fadensystemen, den eingebundenen Ahas, den Ecken, Kanten, dem seidenen Mantelfutter oder gar an bisher unbekanntem Kunstgeklöppel im Soundgewebe.
Helium Vola bewegt eine ganze Menge für mich schiffbrüchigen Wüstenforscher im Zeitgeist-Ozean der musikalischen Ödnis. Müsste ich mich - um im Dunstkreis der Metapher zu bleiben - für maximal 100 Songs zur Mitnahme auf die vielbeschworene Insel entscheiden, dann wären mindestens 40 Helium Vola Stücke dabei ... (und etwa 10 von den Lakaien).
Der langen Rede kurzer Sinn: Es gibt neben Ernst Horn (inkl. seiner Mitstreiterr) keine weiteren (mir bekannten und lebenden) Musiker und Komponisten, die mich - ganz persönlich - auf so subtile bis (seltener) watschenträchtige Art auf den Punkt abholen und mit stimmigen Themen durch den Tag begleiten. Da kann ich nur kleinlaut "Danke" sagen und verlegen an die Decke glotzen.
Viele Grüsse, G.