Konzert in Zürich, 23. Februar 2011 - Berichtlein

Patrick_Borer

I am a Darkstar
Ein sehr schönes Konzert haben sie in Zürich gespielt. Kurz zur "Einfrau-Vorband" Vic Anselmo: Ihre Stimme gefällt mir und spielen kann sie auch - nur leider waren die Lieder recht eintönig, klangen eins wie das andere, und nichts liess mich aufhorchen. Von der Musik ist mir gar nichts hängen geblieben, das lief so vor sich hin und gelangte nirgendwo an. Vic Anselmo bräuchte dringend jemanden, der interessante Lieder für sie schreibt, denn als Interpretin könnte sie toll sein! - Das Publikum war in angenehmer Zahl erschienen: Leer war das X-tra durchaus nicht, aber auch nicht überfüllt. Für mich gerade richtig. Nachdem die Lakaien Zürich fünf Jahre lang nicht mehr beehrt hatten, war ich doch auch etwas gespannt auf die Art des Publikums, das sich jedoch als die typische Lakaienmischung aus Jung und Alt, Mann und Frau, bieder und extravagant angezogen entpuppte :). "On your stage again" war ein naheliegender Einstieg, fast zu naheliegend, aber doch sehr gelungen. Es hat mich auch gefreut, "Fighting the green" mal wieder zu hören (kam das eigentlich vor oder nach Over and done? Kann hier jemand die Setlist posten? Ich bin immer zu absorbiert von der Musik und nachher weiss ich nicht mehr recht, was wann gespielt wurde).

Überhaupt waren die "Rückblenden" in ältere Alben sorgsam ausgewählt und eine Freude - ach, "Forest", wie schön! Ich hatte mir schon vor dem Konzert bei Dea am Stand ein Exemplar der "Forest Enter Exit"-LP zur Komplettierung der Sammlung vorgemerkt, als LP hatte ich die noch nicht (dafür die CD in der Faltverpackung in der Version mit Magnetverschluss! Und die Magnete sind auch noch dran ;-) ). Ganz grossartig war die erste Zugabe "Mindmachine" in einer stark ausgebauten Version, die vor dem Hörer einen dichten, geheimnisvollen Klangwald aufbaut, in den sich das Publikum mit gebannter Aufmerksamkeit locken liess - eine bestens geeignete Ergänzung zum vorher gespielten "Forest", wie A.V. in seiner Ansage auch antönte, der digitale Dschungel, in dem man sich zu verlieren droht... thematisch von ungebrochener Aktualität. Apropos Aktualität - angesichts der gegenwärtigen Ereignisse in Nordafrika, wo die Diktatoren fallen, hätten natürlich die "Mirror Men" mal wieder bestens gepasst (Ansagevorschlag: "Kürzlich wollte Gaddhafi noch die Schweiz zerschlagen... und was ist jetzt... was sieht er, wenn er in den Spiegel schaut?" ;-) ). Aber natürlich ist "Six o'clock" inhaltlich wie musikalisch ein würdiger "Nachfolger" der Mirror Men... energisch, anklagend, aufpeitschend.

Ivee Leon und B. Deutung haben sich in offenbar allerbester Laune ihre Bogengefechte geliefert, sie sollten als Komikerduo auftreten ;-). Hat der gute Deutung eigentlich auch bei anderen Konzerten während "Overpaid" seinen Kopf wie ein Irrer auf Ernsts Keyboard gehauen? (Nachtrag: ja, ich sehe gerade beim Blättern im Forum, dass er sich das offenbar angewöhnt hat :) ) - wollte gar nicht mehr damit aufhören, bis E.H. schon etwas irritiert, wenngleich amüsiert wirkte. A.V. wirkte manchmal, nur manchmal, leicht gehetzt. Auf kleine Missgeschicke reagierte er gewohnt ironisch.

Ganz zum Schluss der Zugaben gab's mit "Colour-Ize" (mit etwas gewöhnungsbedürftigem "Sprechgesang" am Anfang) und "Reincarnation" noch sowas wie ein Pflichtprogramm für alte Anhänger - es ist ja schon mutig, sowohl auf "Dark Star" als auch auf "Love me to the end" zu verzichten, aber wenn einem zumindest ein Song des Trios, als das ich Dark Star/Love me to the end/Reincarnation wahrnehme, geboten wird, kann man sich angesichts der Qualität der Lieder, für die dafür Zeit blieb, wahrlich nicht beklagen! Jedes einzelne war ein Genuss, wobei ich höchstens die Wahl von "Through the hall" als Zugabe etwas seltsam fand. Sicher nicht schlecht, ganz und gar nicht, aber die Lakaien haben mittlerweile ein so breites Repertoire, so viele Optionen... sie könnten ja auch mal etwas von der "1987" nehmen, z.B. Ich würde es schade finden, wenn Lieder wie "Battle of the Ghosts", die sich damals am "Concert that never happened before" als livetauglich bewiesen haben, einfach wieder in der Versenkung verschwinden, aber "Love me to the end" und "Dark Star" hat man nun wirklich so oft gehört, immer wieder und wieder... es ist die richtige Entscheidung, auch mal darauf zu verzichten.

Tja, was soll ich noch schreiben... die Akustik war für meine Ohren angenehm, nicht zu laut, aber laut genug, alles klang richtig gut. Und es war schön, Dea mal wieder zu sehen, wenn auch nur kurz :). Und ich habe noch einen sinnvollen Zug heimwärts erwischt.
 
Schön!
Und schön das auch jemand "Battle of the ghosts" so toll findet.
Musste während dem Konzert in Offenbach auch dran denken
 
Klingt doch nach einem guten Konzert :)

"Battle Of The Ghosts" würd ich echt auch gern mal live sehen, oder "Death Raft", wenn wir schon bei der 1987 sind. Aber ich war schon echt begeistert, dass "Forest" in der Setlist ist bei dieser Tour. Als jüngerer Zuhörer hat man das ja nicht alles schon gesehen ;)
 
Hi Patrick,
danke für den Bericht.
Ein paar Sachen würde ich jedoch gerne anmerken.

Patrick_Borer meinte:
Kurz zur "Einfrau-Vorband" Vic Anselmo: Ihre Stimme gefällt mir und spielen kann sie auch - nur leider waren die Lieder recht eintönig, klangen eins wie das andere, und nichts liess mich aufhorchen. Von der Musik ist mir gar nichts hängen geblieben, das lief so vor sich hin und gelangte nirgendwo an. Vic Anselmo bräuchte dringend jemanden, der interessante Lieder für sie schreibt, denn als Interpretin könnte sie toll sein!

Okay, ich bin hier wohl die amtliche Lanzenbrecherin für Vic Anselmo.
Normalerweise hat sie eine fünfköpfige Band hinter sich, und dann klingen die Songs auch ein Wenig anders, spannender ;).
Ich denke nicht, dass sie es nötig hat, sich von irgendwem was schreiben zu lassen, das macht sie selbst wirklich sehr gut!! :) :).
Das das nur mit Piano nicht so rüberkam, hat mich nicht davon abgehalten, sie sehr zu mögen. Die CD läuft bei mir rauf -und runter.

(dafür die CD in der Faltverpackung in der Version mit Magnetverschluss! Und die Magnete sind auch noch dran ;-) ).

Du meinst die Magneten, die jetzt unter meinem Schreibtisch an einer Eisenstange kleben? :D
Mein Ex hatte die CD mit Falt - Hülle.
Hat nicht lange gehalten.
Aber die Magneten hatte ich beim Auszug unter meinem Tisch vergessen. Und da sind sie nun, nach acht Jahren, immernoch.

"Kürzlich wollte Gaddhafi noch die Schweiz zerschlagen... und was ist jetzt... was sieht er, wenn er in den Spiegel schaut?" ;-)

Ich glaube, in dem Stück ist aber eher ein "Rück"spiegel eines Autos gemeint von einem Selbstmordattentäter, der mit nem Wagen voller Sprengstoff kurz davor ist auf sein Ziel loszufahren.

LG
dat snails
 
Danke für den Bericht!
Das X-tra ist eine sehr gute Location (auch wenn DL nicht dort spielen: immer Mittwochs.... *g*).
 
Apropos "Through the hall": Gibt's eigentlich mittlerweile eine "offiziell abgesegnete" (d.h. vielleicht durch ein DL-Interview bestätigte) Interpretation des Liedes? Wir haben ja damals so einige Spekulationen angestellt. Ich bin mir nicht sicher, ob es diese Vermutung auch schon gab, aber angesichts von Alexanders Gestik während des Lieds (kleine Kreuzzeichen, wenn ich mich nicht irre?) ist mir eingefallen, dass es um die Päpste der Renaissancezeit gehen könnte... ("sit down and touch the mighty ring" - den Fischerring etwa?) Da gab's ja so einige Intrigen und es wurden auch Päpste vergiftet ("a pinch of powder will improve our lives"?).

Und zu den "Mirror Men", @snails: Ich habe die "lorry full of dynamite" nie so wörtlich verstanden, eher im übertragenen Sinn, und die "Mirror Men" des Liedes eigentlich immer als eitle, zugleich rücksichtslose und selbstzerstörerische Diktatoren im Nero-Stil gesehen; ich stelle mir da so einen vor, der sich in seinem Palast "on top of the hil" in seinen Sessel zurücklehnt und sich im Spiegel bewundert, während sich in seinem Reich "murder, and murder, and murder" abspielt...
 
"Through the Hall" ... ich mag es nicht sehr, dass Lied. Aber ich habe mich auch gefragt, warum es darin geht. Sowohl in Bremen als auch in Offenbach kündigte A.V. das Lied damit an, dass man jetzt ganz besondere Besucher begrüßen müsse. "A pinch of powder to improve our life ..." Entschuldigung für diesen unglaublich banalen Ansatz, aber sprechen wir vielleicht von ... Ungeziefer? Ich habe eine ganze Menge mit Kindergartenkindern zu tun - und glaubt mir, Läuse sind durchaus eine Plage des 21. Jhds.

Alternativ fallen mir bei "pinch of powder" natürlich alle möglichen Drogen ein - und in Bremen verwies Herr Veljanov vor oder nach diesem Lied auf "bewusstseinserweiternde Substanzen". Das würde konform gehen mit dem Gift, welches du, Patrick, vermutest. Ich mag deine Deutung der Gesten - auch wenn ich es nur als ein Ausstreuen des Pulvers empfunden habe.

Abschließend muss ich gestehen, dass ich den Song zuhause eigentlich nie höre (weil ich ihn halt nicht mag) und mir auch den Text nur einmal durchgelesen habe. Das sollte ich vielleicht einmal ändern.
 
Patrick_Borer meinte:
Apropos "Through the hall": Gibt's eigentlich mittlerweile eine "offiziell abgesegnete" (d.h. vielleicht durch ein DL-Interview bestätigte) Interpretation des Liedes? Wir haben ja damals so einige Spekulationen angestellt. Ich bin mir nicht sicher, ob es diese Vermutung auch schon gab, aber angesichts von Alexanders Gestik während des Lieds (kleine Kreuzzeichen, wenn ich mich nicht irre?) ist mir eingefallen, dass es um die Päpste der Renaissancezeit gehen könnte... ("sit down and touch the mighty ring" - den Fischerring etwa?) Da gab's ja so einige Intrigen und es wurden auch Päpste vergiftet ("a pinch of powder will improve our lives"?).
Ich habe Herrn Veljanovs Gestik und Mimik nicht genau beobachtet, aber sehr interessanter Gedanke, Patrick ... ich muss mir "Through the hall" eingehender anhören ...
 
Danke für den interessanten Bericht, Patrick! Ich denke, daß du recht hast über Vic Anselmo. Auch finde ich, daß sie wenig mit dem Publikum hast. Es ist für mich wie sie macht die Musik nur für sie selbst.
 
Entschuldigung für diesen unglaublich banalen Ansatz, aber sprechen wir vielleicht von ... Ungeziefer? Ich habe eine ganze Menge mit Kindergartenkindern zu tun - und glaubt mir, Läuse sind durchaus eine Plage des 21. Jhds.

Also ich find den Ansatz klasse, hihi :)

Wer war der "dear guest from 2009" also? Läuse? Flöhe? ;;) Und die besonderen Besucher auch? Er hat schon öfter was von besonderen Besuchern oder speziellen Gästen gesagt, auch vor anderen Songs. Ob er überall Ungeziefer vermutet? *lach*

Ich liebe das Lied. Irgendwie noch mehr seit ich es live gesehen habe. Ich finde diese für mich doch relativ kryptischen Lyrics wahnsinnig toll und die leicht "unordentliche" Struktur des Songs. Finde ihn sehr bildhaft - er malt wirklich großartige Bilder.
 
Danke für den Link! Etwas komische Formulierung: "Der Auftritt wurde wundersam mit einem Klangteppich, Cello, Gitarre und Geige sei Dank, zugedeckt"? Na, zum Glück eben gerade nicht! Die Lakaien haben mehr zu bieten als zudeckende "Klangteppiche"...

A.V. erwähnt darin sein genaues Alter. Früher machte er doch immer etwas ein Geheimnis daraus, oder? Fühlt sich jetzt offenbar schon zu alt, um das Spielchen weiterzutreiben? ;-)
 
... ist ja wie ein Konzertmitschnitt.

Ich war neugierig auf den angesprochenen "Sprechgesang" bei colour-ize und finde die
Interpretation gar nicht so übel (geht 9:30 los):

http://www.youtube.com/watch?v=3elLJHs9Izw

Also gibt es doch noch Überraschungen bei den Konzerten? *hoffweiterhinaufBeiNachtinWilhelmshaven* B-)
 
Patrick_Borer meinte:
A.V. erwähnt darin sein genaues Alter. Früher machte er doch immer etwas ein Geheimnis daraus, oder? Fühlt sich jetzt offenbar schon zu alt, um das Spielchen weiterzutreiben? ;-)

Der Gedanke kam mir auch dabei *g*


ds-nel meinte:
... ist ja wie ein Konzertmitschnitt.

Ich war neugierig auf den angesprochenen "Sprechgesang" bei colour-ize und finde die
Interpretation gar nicht so übel (geht 9:30 los):

http://www.youtube.com/watch?v=3elLJHs9Izw

Also gibt es doch noch Überraschungen bei den Konzerten? *hoffweiterhinaufBeiNachtinWilhelmshaven* B-)

Hat definitiv etwas der "Sprechgesang", ist mal was anderes.
 
pandora84 meinte:
Patrick_Borer meinte:
A.V. erwähnt darin sein genaues Alter. Früher machte er doch immer etwas ein Geheimnis daraus, oder? Fühlt sich jetzt offenbar schon zu alt, um das Spielchen weiterzutreiben? ;-)

Der Gedanke kam mir auch dabei *g*

Oh, ich habe im Oktober gelesen, er sei 47.
Vielleicht kann er sich noch nicht so ganz festlegen. Aber ich glaube, der Tenor der Sache ist, dass er uns schonend darauf vorbereitet, über 45 Jahre alt zu sein...
 
Cooler Bericht mit netten Features! Das Interview fand ich schön zu lesen (bis auf den seltsam gewebten Klangteppich *gg*) und der Colour-Ize-Sprechgesang hat auch seine eigene Note. Über all die Jahre ist eine kleine, temporäre Überarbeitung mal ganz erfrischend, finde ich :)

Auf die zeit- und alterslosen Lakaien!
 
Danke für den Konzert-Link! Die Qualität ist wirklich gut für einen Privatmitschnitt.
Den Sprechgesang bei Colour-ize finde ich auch toll. Das war bei der Herbsttour noch nicht und in Offenbach war es noch mal sehr anders als scheinbar in Zürich... Es wird variiert und verändert und situationsbedingt sind die Auftritte unterschiedlich... find ich wirklich toll! :)
In Offenbach ist colour-ize dadurch auf jeden Fall sehr einprägsam herausgestochen...

Danke auch für den Interview-Link .... *sorgenvollguck* ... Ich finde es sehr nachvollziehbar, dass sone Tour irre anstrengend ist. Wenn ich mir allein vorstelle, dass sie jeden Abend in anderen Städten das gleiche gemacht haben und ähnliches Herzblut und Intensität in die Auftritte gesteckt haben, wie es vor zwei Wochen in Krefeld und vor einer Woche in Offenbach gewesen ist, dann wird sehr deutlich, dass das an die Reserven gehen muss.... aber 80 :-o .... Jesses... ich hoffe, dass es sich um einigermaßen bei Kräften gebliebene 80ig-Jährige handelt, die nach wie vor noch Lust und Energie haben, sowas noch mal zu machen...
Edit: Ups, das mit der 80 war wohl eher auf den speziellen Tag bezogen :D ... naja... wenn sich 18 und 80 noch einigermaßen die Waage halten, dann ist das doch annehmbar :D

Six o'clock habe ich auch ein wenig als "würdigen Nachfolger" für die "Mirror men" empfunden... einfach vom Feeling, das vom Song transportiert wird...
:x
 
... noch einen Nachtrag zum Interview (O.T.)

Kann sich der Mensch nicht irgendwann entscheiden, auf welcher sprachlichen Ebene er kommunizieren möchte? :-\ Ich weiß nicht, wieviele "Fressen" ich in der letzten Sonic Seducer von ihm gelesen habe und jetzt bekommt er "einen Tagesablauf oktroyiert"?
Meine bisherige Lieblingsbetrachtung von ihm war wie "abgefuckt und satuiert" (in einem Satz!)er sich als Künstler fühlt, oder eben nicht. Ich finde diese sprachliche Fächerung unglaublich fazinierend.
 
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