War's das?

@ Dreamdancer
Ja, natürlich ist das Handwerk unerlässlich, was ich meinte bzw. was mich brennend interessiert, ist der Schaffensprozess: Ist Ernsts Komponieren rein rationaler, "handwerklicher" Natur? (ausschließlich an bestimmten mus. Gesetzen, Formmodellen, Komp.Verfahren orientiert?). Ernst sagt doch selbst in den Interviews i.B.a. "Für Euch die Ihr Liebt", dass es Gedichte waren, die ihm den Impuls zum Komponieren gaben. Dann könnte es doch sein, dass z.B. das Gedicht von Francesco Petrarca auf ihn einen so tiefen Eindruck machte, dass er seine Empfindungen unbedingt musikalisch festhalten wollte, also schöpft er möglicherweise doch aus seinen Stimmungen ("Gefühlen") (?). Aber im Endeffekt hast Du Recht ... vielleicht ist es auch eine Art Korrelation / Wechselbeziehung zwischen Empfindungen und einem Komponieren aus der Ratio heraus ...
Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf sein Album "Quodlibet". Hmm ... mich fasziniert schon jetzt der Gedanke, Ernsts neue Stücke zu hören und sich Gedanken über die Inhalte und Musik zu machen. Ich freue mich 🙂 .
--
 
Ich bin auch eher dafür, das Handwerkliche in der Musik herauszuheben. Die Inspiration alleine macht einen Künstler nicht aus, sondern die Fähigkeit der Umsetzung.
Viele Leute werden von den unterschiedlichsten Dingen inspiriert und um man braucht, ach, vielleicht einen Hauch Empathie, aber keine besondere Begabung um tiefe Gefühle empfinden zu können.
Doch diese ur-eigenen Gefühle anderen zugänglich zu machen dazu braucht es Können.
Herr Veljanov sagte zum Entstehungsprozess der Musik einmal, Arbeit sieht bei ihm z.B. so aus, dass er stundenlang überlegt, welches Instrument an dieser oder jener Stelle wie klingt, er also eine Melodie im Kopf habe, und er dann sehen -hören- muss, wie er diese am besten transportiert.
Sie wissen schon, was sie ausdrücken wollen (die Gefühle, Inspiration, was auch immer) aber die Übersetzung dieser Inhalte in Musik ist meiner Meinung nach wirkliche Arbeit, Handwerk und Erfahrung, eben. Wie dreamdancer sagte, je besser man dann sein Handwerk versteht, desto mehr Übersetzungsmöglichkeiten hat man, um so eindringlicher wird letztendlich das fertige Produkt klingen.
 
DianaS schrieb:
was mich brennend interessiert, ist der Schaffensprozess
Das kann ich sehr gut verstehen. Wenn man von etwas zu tiefst im Innern berührt wird, und mir geht es (oh Wunder 😉 ) mit der Musik von Ernst Horn da nicht anders als Dir, dann möchte man gerne verstehen, wieso. Was die Literaturvorlagen zu Helium Vola angeht, so erinnere ich mich aus Interviews von Ernst, dass er da einen sehr pragmatischen Ansatz hat. Er blättert durch seine Bände durch und schaut, was sich gut vertonen läßt. Ich denke, dass hat dann auch viel mit Sprachrhythmik und dem Aufbau der Strophen zu tun. Es ergibt sich dann auch eine gewisse Konsistenz in der Vertonung der Sprache: Liebeslieder - Provencalisch (Printemps, Saber d'amor) oder Mittelhochdeutsch (In so hoher swebender Wunne) , Latein - rhythmischere, "eckigere" Stücke (Nummus, Fama tuba), Althochdeutsch - elektronisch, experimentell (Gegen einen Teufel). Ich glaube nicht, dass das eine rationale Zuordnung ist, vielmehr entspricht das einem eigenen Sprachgefühl. Weswegen das auch keine strikte Regel ist (wie langweilig wäre das denn?), sondern immer wieder Variationen und Brüche zulässt. Ein sehr schönes Gegenbeispiel z. B. ist "Omnia sol temperat": Latein, ausgesprochen melodiös, frühlingshaft und hat dann auch noch Sprachsamples drin - alles sehr harmonisch.

Gerade die Petrarca Vertonungen haben Ernst bestimmt viel Arbeit gemacht (ich meine, er hat das auch mal in einem Interview erwähnt). Sie sind dann ja auch kompositorisch recht komplex ausgefallen mit ein paar wirklich wunderschönen, interessanten Modulationen dabei. Das soll jetzt nicht heissen, dass Gefühle bei Inspiration keine Rolle spielen. Aber ich bin da der gleichen Meinung wie Lady Ash - Gefühle können durchaus, müssen aber keineswegs eine wesentliche Rolle spielen. Bei anderen Künsten leuchtet das vielleicht eher ein, als bei Musik, weil letztere so ganz direkt Emotionen anspricht und auslöst.
 
@ Dreamdancer und Ash
Ja, möglicherweise habt Ihr Recht, möglicherweise wird Ernsts Schaffensprozess "nur" durch den Intellekt (also bewusst) gesteuert, dennoch denke ich, dass es auch eine ... - okay, ich werde das Wort "Gefühl" ersetzen - also, dass es eine verborgene Sphäre in der Musik gibt, in die der Intellekt oder das Bewusstsein nur eingeschränkt eindringen kann ... versteht ihr, was ich meine? Dass es in jedem Kompositionsprozess bestimmte Regeln (Anstöße) gibt, ist klar, aber ich denke, wenn diese nur einseitig, eben nur verstandesmäßig (pragmatisch) eingesetzt werden, ohne dass die "verborgene Sphäre", Gefühl (?), in der Musik mitschwingt, dann ist doch die Komposition einfach nur trocken und langweilig (?) ... um es zu exemplifizieren an einem Musikstück von Ernst Horn: Ich würde z.B. niemals auf die Idee kommen "Blow, blow northern wind" oder "Maienzeit" als rein "pragmatisch" zu bezeichnen ... gerade Maienzeit ist meiner Ansicht nach eines der eklatantesten Beispiele für Ernsts Kompositionen, in denen das "Konstruierte", Ausarbeitete mit dem Emotionalen zu einer unzertrennlichen Einheit zusammenfließt. Beim Hören dieser Musik, vergisst man die Regel, die Pragmatik, man erlebt einfach die wundervolle Musik, obwohl die Regel dieser Musik immanent ist.

Und @ Ash, Du weißt doch, dass Herr Veljanov nicht Musikwissenschaft, sondern Film- und Theaterwissenschaften studierte und dennoch erschafft er wundervolle Musik, weil er diese besondere Gabe besitzt ... ich glaube, es hängt hauptsächlich vom Talent des Künstlers ab, ob er die Gabe hat, verschiedene Schichten seiner hmmm ... Psyche spontan so zu verbinden, dass im kreativen Prozess wundervolle Musikwerke entstehen ... im Endeffekt denke ich, dass die Musik viele ... Tausende Gesichter hat und dass sie vor allem durch emotionale Impulse, auch durch Gedanken, Empfindungen erneuert und befruchtet wird ... ihr werdet mich auslachen , dennoch bin ich nach wie vor der Ansicht, dass beim Komponieren stets die "unbewusste Sphäre" des Komponisten berührt wird, und würde daher den Schaffensprozess nicht allein auf das Intellektuelle, Handwerkliche "reduzieren".
 
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DianaS schrieb:
... ich glaube, es hängt hauptsächlich vom Talent des Künstlers ab, ob er die Gabe hat, verschiedene Schichten seiner hmmm ... Psyche spontan so zu verbinden, dass im kreativen Prozess wundervolle Musikwerke entstehen ...

Während ich über den Rest deiner Argumentation noch nachdenken muss, finde ich, dass dir hier eine sehr anschauliche Beschreibung von zumindest einem Teil des Entstehungsprozesses gelungen ist. Verschiedene Schichten der Psyche werden in/zu einem kreativen Prozess spontan miteinander verbunden ... das trifft es irgendwie auch aus meiner Sicht.
Wobei ich dann die "kognitive Schicht" vermutlich höher bewerten würde als du, aber im Prinzip würden wir dort von der gleichen Sache reden.
 
DianaS schrieb:
@ Dreamdancer und Ash
Dass es in jedem Kompositionsprozess bestimmte Regeln (Anstöße) gibt, ist klar, aber ich denke, wenn diese nur einseitig, eben nur verstandesmäßig (pragmatisch) eingesetzt werden, ohne dass die "verborgene Sphäre", Gefühl (?), in der Musik mitschwingt, dann ist doch die Komposition einfach nur trocken und langweilig (?) ... um es zu exemplifizieren an einem Musikstück von Ernst Horn: Ich würde z.B. niemals auf die Idee kommen "Blow, blow northern wind" oder "Maienzeit" als rein "pragmatisch" zu bezeichnen ... gerade Maienzeit ist meiner Ansicht nach eines der eklatantesten Beispiele für Ernsts Kompositionen, in denen das "Konstruierte", Ausarbeitete mit dem Emotionalen zu einer unzertrennlichen Einheit zusammenfließt. Beim Hören dieser Musik, vergisst man die Regel, die Pragmatik, man erlebt einfach die wundervolle Musik, obwohl die Regel dieser Musik immanent ist.
(...)
ich glaube, es hängt hauptsächlich vom Talent des Künstlers ab, ob er die Gabe hat, verschiedene Schichten seiner hmmm ... Psyche spontan so zu verbinden, dass im kreativen Prozess wundervolle Musikwerke entstehen ... im Endeffekt denke ich, dass die Musik viele ... Tausende Gesichter hat und dass sie vor allem durch emotionale Impulse, auch durch Gedanken, Empfindungen erneuert und befruchtet wird ... ihr werdet mich auslachen , dennoch bin ich nach wie vor der Ansicht, dass beim Komponieren stets die "unbewusste Sphäre" des Komponisten berührt wird, und würde daher den Schaffensprozess nicht allein auf das Intellektuelle, Handwerkliche "reduzieren".

Also, ich lache dich da gar nicht aus, Diana, Im Gegenteil, ich finde, du beschreibst das recht gut. 🙂
Darf ich dazu aus kunsttherapeutisch-künstlerischer Sicht was dazu sagen (komme zwar von der bildenden Kunst, aber manche Prinzipien denke ich, gelten für alle Diziplinen)? Wie ja hier auch schon erwähnt wurde, entsteht ein Kunstwerk aus einem oder mehreren Impulsen - und diese "Bewegung" kann seelischer, körperlicher oder geistiger Natur sein. Im künstlerischen Prozess transformiert der Künstler mithilfe seiner individuellen Gabe(n) die (imaginierte) Ausgangsidee in die sinnlich wahrnehmbare Welt. Im idealen Falle durchdringen sich also die Ebenen, denn nur perfekte Beherrschung einer Technik bringt ebensowenig ein echtes Kunstwerk hervor wie eine Seelenregung. Meiner Meinung nach sind es jedoch nicht nur bewusste und unbewusste Anteile des Künstlers, die zusammen genommen in ein Kunstwerk münden, sondern neben den Komponenten Handwerk plus Empfindung (Seele/Emotion/Gefühl) und Talent spielt noch etwas ausserhalb des Künstlers eine Rolle. In Ermangelung einer besseren Bezeichnung nenne ich es das "Numinose". André Gide glaube ich hat gesagt: Kunst ist eine Kollaboration zwischen Gott und Künstler. Je weniger der Künstler dabei macht, desto besser. -- Mir gefällt diese Aussage, denn sie drückt das Erleben des "Kanal-Seins" aus, das jeder Künstler aus dem Schaffensprozess kennen dürfte. Monsieur Gide sagt "Gott" dazu, mir persönlich ist das "Numinose" lieber, aber wie man es auch nennen will, es existiert während des Prozesses etwas, was durch einen hindurch fließt; es ist eine Kraft, für die man einen Kanal darstellt, aber diese Energie kommt definitiv nicht aus einem selbst (und ich würde diese Kraft auch nicht unbedingt mit "Inspiration" gleichsetzen). Ich bin auch überzeugt, dass der Hörer/Betrachter dieses geheimnisvolle Element bei einem gelungenen Kunstwerk intuitiv wahrnehmen kann und dass es das Werk im Rezipienten zum Klingen bringt. 🙂
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Irgendwie fühle ich mich missverstanden. Ich habe nie behauptet, die Kompositionen von Ernst wären rein "pragmatisch". Ich habe eigentlich nur zu erklären versucht, wieso er selbst das "Handwerk" immer besonders herausstellt.
DianaS schrieb:
durch emotionale Impulse, auch durch Gedanken, Empfindungen erneuert und befruchtet wird ...
Das alles trägt sicher zur Inspiration bei, die ich keineswegs als etwas bewusst Gesteuertes sehen würde, das sehe ich eigentlich ganz genau wie Du. "Gefühl" allein greift mir nur zu kurz. Aber wie genau jetzt Inspiration entsteht und woher sie kommt ist schwer zu sagen, denke ich. Wahrscheinlich gibt es dazu jede Menge Theorien, die mir allesamt unbekannt sind. Höchst wahrscheinlich empfindet das jede/r anders. Ich für meinen Teil stehe einer "Kraft von Außen" oder wie man es auch immer nennen mag eher skeptisch gegenüber.
Weisslein schrieb:
und ich würde diese Kraft auch nicht unbedingt mit "Inspiration" gleichsetzen
Warum nicht? Was unterscheidet diese Kraft von Inspiration? Bzw. was ist für Dich Inspiration?
 
Also ich denke, ich hab dich schon verstanden, Dreamdancer, und ich glaube auch, dass Ernst bei aller BeTONung auf technische Perfektion seine Musik aus sehr tiefen Bereichen schöpft - mir reicht "Gefühl" auch nicht ganz dafür aus.

dreamdancer schrieb:
Weisslein schrieb:
und ich würde diese Kraft auch nicht unbedingt mit "Inspiration" gleichsetzen
Warum nicht? Was unterscheidet diese Kraft von Inspiration? Bzw. was ist für Dich Inspiration?
Ich dachte mir, dass diese Frage auftauchen würde. 😀
"Inspiration" ist für mich mehr das plötzliche Auftauchen einer kreativen Idee, also etwas Momentanes, während das "Kanal-Sein" während des künstlerischen Prozesses eher was von einer Art "Flow"-Erleben hat und auch etwas länger Andauerndes für mich ist; das sind in meiner Wahrnehmung schon zwei unterschiedliche Dinge. Ich sag mal so: Das eine ist das von der Muse geknutscht werden, das andere ist mit ihr tanzen (wenn's gut läuft... oft plagt man sich auch einfach nur und die schöne In- wandelt sich zur schnöden Trans-piration. #:-s Soviel zur Romantik des Künstlerdaseins. 😀 )
Das ist aber nur meine Sichtweise, das empfindet sicherlich jeder Künstler anders.
 
@ Weisslein, Dreamdancer, Ash
Ich glaube, im Endeffekt liegen unsere Ansichten gar nicht weit auseinander. 🙂

Möglicherweise habe ich Dich tatsächlich ein wenig missverstanden Dreamdancer, denke aber ... im Prinzip hast Du Recht, weil das rationale, pragmatische Element in der elektronischen Musik, allein schon durch den Materialzwang, stets präsent ist bzw. noch weiter in den Vordergrund gedrängt wird ... hmmm ... vielleicht hat Ernst auch bei Helium Vola das Emotionale zu einer Art ... Asymptote in Richtung des Rationalen erhoben ... weißt Du, ein Bekannter von mir, der Musikwissenschaft studierte, hat mal erzählt, sein Dozent habe ihm verboten das Wort "Gefühl" und/oder "Emotion" während des Kurses auszusprechen, naja.
--
Irgendwie habe ich immer gedacht, dass "wahre" Musik u.a. aus dem authentischen Erleben, aus authentischen Emotionen, ja Weisslein, aus dem Numinosen, Metaphysischen, Kosmischen entsteht, d.h. ich sah den Schaffensprozess eines Komponisten / Musikers vor allem als eine künstlerische Konstruktion, in die sich der Musiker vor allem als Mensch hineinprojiziert und sich dann in seinem Werk, wie in einem Spiegel, wieder erkennt ... ich persönlich empfinde den Prozess des Komponierens stets als etwas sehr Intimes und ich denke, dass auch das Resultat beim Komponieren mit Synthesizern sowohl von dem "handwerklichen" Können (Kompositionsmethoden etc.) als auch von der Persönlichkeit des Komponisten, sowohl von dem im Unterbewusstsein Verborgenen, Metaphysischen als auch, wie Weisslein ausführte, von dem "Numinosen", abhängt ... Ernst ist doch ein Mensch, mit Emotionen und Empfindungen, kein musikalischer Seismograph.
 
Weisslein schrieb:
"Inspiration" ist für mich mehr das plötzliche Auftauchen einer kreativen Idee, also etwas Momentanes, während das "Kanal-Sein" während des künstlerischen Prozesses eher was von einer Art "Flow"-Erleben hat und auch etwas länger Andauerndes für mich ist; das sind in meiner Wahrnehmung schon zwei unterschiedliche Dinge. Ich sag mal so: Das eine ist das von der Muse geknutscht werden, das andere ist mit ihr tanzen (wenn's gut läuft... oft plagt man sich auch einfach nur und die schöne In- wandelt sich zur schnöden Trans-piration. #:-s Soviel zur Romantik des Künstlerdaseins. 😀 )
Das ist aber nur meine Sichtweise, das empfindet sicherlich jeder Künstler anders.

Ganz genau so ist es bei mir auch. Die Inspiration ist der Moment, indem eine Idee oder ein Gefühl "geboren" werden, von denen man instinktiv spürt, dass man etwas aus ihnen machen kann oder sogar muss. Was dann folgt, ist entweder, wie du schon sagst, eine Art "Flow", wenn es gut läuft, so dass man den Eindruck kriegen könnte, die Dinge erschaffen sich fast selbst - oder es wird richtig mühsam, die richtigen Farben/Töne/Worte zu finden. Ich hätte es echt nicht besser ausdrücken können als du 🙂 aber, auch hier: das ist nur meine subjektive Empfindung, kann sein, dass es für euch andere oder für die Herren Lakaien ganz anders rüberkommt 🙂
 
Weisslein schrieb:
Das eine ist das von der Muse geknutscht werden, das andere ist mit ihr tanzen
Sehr schönes Bild, vielen Dank. @};- Ich denke, jetzt verstehe ich schon etwas besser, was Du meinst. 😀 Trotzdem muss ich nochmal nachhaken (bin von natur aus neugierig, sorry, wenn's zu viel wird):
Kommt beim Tanzen denn nicht schon das Handwerk ins Spiel, um die Balance nicht zu verlieren? Bzw. kann das nicht den Fluss unterbrechen, wenn man an technische Grenzen kommt, bzw. sich gepflegt auf den Allerwertesten setzt?
Wenn ich das richtig verstanden habe, dann drückt sich im "Flow" die Verbindung zum "Numinosen" aus, das aber in Deinem Bild aber nicht mit der Muse gleichzusetzen ist (oder doch?). Bitte beschreibe das "Numinose" doch etwas ausführlicher.

DianaS schrieb:
weißt Du, ein Bekannter von mir, der Musikwissenschaft studierte, hat mal erzählt, sein Dozent habe ihm verboten das Wort "Gefühl" und/oder "Emotion" während des Kurses auszusprechen, naja.
Ich kann mir vorstellen, woher das kommt, aber das ist natürlich ausgesprochen dumm! Inzwischen bin ich doch ganz froh, dass ich nicht Musikwissenschaften studiert habe...

DianaS schrieb:
ich sah den Schaffensprozess eines Komponisten / Musikers vor allem als eine künstlerische Konstruktion, in die sich der Musiker vor allem als Mensch hineinprojiziert und sich dann in seinem Werk, wie in einem Spiegel, wieder erkennt ... ich persönlich empfinde den Prozess des Komponierens stets als etwas sehr Intimes und ich denke, dass auch das Resultat beim Komponieren mit Synthesizern sowohl von dem "handwerklichen" Können (Kompositionsmethoden etc.) als auch von der Persönlichkeit des Komponisten, sowohl von dem im Unterbewusstsein Verborgenen, Metaphysischen als auch, wie Weisslein ausführte, von dem "Numinosen", abhängt ...
Das ist doch eine sehr schöne Beschreibung! Wobei ich noch nicht verstehe, was das "Numinose" bezeichnet, und irgendwie will mir an dieser Stelle auch das "Metaphysische" nicht so recht einleuchten. Meine erste Assoziation zum "Numinosen" war zwar schon das "nous". Aber besteht da tatsächlich der Zusammenhang? Und nichts liegt mir ferner, als den Eindruck zu erwecken, Ernst sei ein "musikalischer Seismograph" :-o (wobei das ein interessantes Bild ist).
 
Ich verfolge eure Diskussion sehr gespannt, kann mir bitte mal jemand erklären was mit "Numinose" gemeint ist?
 
pandora84 schrieb:
Ich verfolge eure Diskussion sehr gespannt, kann mir bitte mal jemand erklären was mit "Numinose" gemeint ist?
Pandora, der Begriff kommt aus dem Lateinischen und meint in der Form "Numen": "Wink, Geheiß, Wille, göttlicher Wille"; theologisch benutzt man ihn zur Bezeichnung der Anwesenheit eines "gestaltlos Göttlichen" (ein Danke an Wikipedia). Es liegt somit außerhalb der menschlichen Realität.
Und das macht es so schwierig, zu "erklären", was das "Numinose" denn ist, denn man kann es weder sehen, noch beweisen noch widerlegen. Eigentlich kann man es nur selbst erfahren.
Schön, Darky, dass du genau so bestätigt hast. 🙂

dreamdancer schrieb:
Weisslein schrieb:
Das eine ist das von der Muse geknutscht werden, das andere ist mit ihr tanzen
Sehr schönes Bild, vielen Dank. @};- Ich denke, jetzt verstehe ich schon etwas besser, was Du meinst. 😀 Trotzdem muss ich nochmal nachhaken (bin von natur aus neugierig, sorry, wenn's zu viel wird):
Kommt beim Tanzen denn nicht schon das Handwerk ins Spiel, um die Balance nicht zu verlieren? Bzw. kann das nicht den Fluss unterbrechen, wenn man an technische Grenzen kommt, bzw. sich gepflegt auf den Allerwertesten setzt?
Wenn ich das richtig verstanden habe, dann drückt sich im "Flow" die Verbindung zum "Numinosen" aus, das aber in Deinem Bild aber nicht mit der Muse gleichzusetzen ist (oder doch?). Bitte beschreibe das "Numinose" doch etwas ausführlicher.
Stimmt genau. Im "Flow" ist die Verbindung zum Numinosen am deutlichsten wahrnehmbar. Aber ich bin ja der selben Meinung wie alle anderen hier, nämlich dass das Handwerk ein ganz integraler Bestandteil beim Erschaffen eines Kunstwerkes ist, und insofern ist, um im Bild zu bleiben, beim Paartanz mit der numinosen Kraft auch immer schon das Handwerk mit im Spiel.
Allerdings verläuft der kreative Prozess in mehreren Phasen, wovon der "Flow" nur ein Teil ist; genauso gehört auch eine Krise dazu, in der alles angezweifelt wird (habe ich den richtigen Tanzpartner?), oder ein Abschnitt, in dem alles nur chaotisch erscheint (WAS soll denn das für ein Tanz sein?), auch eine Phase, die "Offenbarung" genannt wird (jetzt hab ich's - es geht 1,2,3, 1,3,2!). Erst in der Abschlussphase des schöpferischen Prozesses beginnt das richtig schweisstreibende Handwerk, denn dann geht es an die endgültige Umsetzung und Ausführung.
Die Muse ist für mich eine anfängliche Manifestation des Numinosen. Später im Prozess ist die Muse meist wieder futsch (das treulose Stück küsst ja auch noch andere! ;😉 ), aber die geheimnisvolle Verbindung zu etwas Transpersonalem ist noch da. Und diese Kraft "benutzt" den Künstler, um in der sichtbaren Welt Gestalt anzunehmen. C.G. Jung zum Beispiel ist der Ansicht, dass sich im Kunstwerk etwas Überpersönliches äußert. Er beschreibt es so: "Der Sinn des Kunstwerkes und seine ihm eigentümliche Art ruhen in ihm selber und nicht in äußeren Vorbedingungen... man könnte fast sagen, es sei ein Wesen, das den Menschen und seine persönlichen Dispositionen nur als Nährboden benützt, über dessen Kräfte nach eigenen Gesetzen verfügt, und sich selbst zu dem gestaltet, was es aus sich selbst werden will."
Ich weiss nicht, ob das jetzt klarer geworden ist. Es gibt unendlich viele Abhandlungen zum Thema, und in vielen ist vom "göttlichen Funken" die Rede. Beschreiben lässt sich der Prozess, ja, erklären... nein.
 
@ Weisslein, danke für die Info 🙂 Uuh Latein, da müsst ich mich eigentlich in die Ecke stellen und schämen, schließlich hatte ich das sechs Jahre lang in der Schule.
 
Weisslein schrieb:
Später im Prozess ist die Muse meist wieder futsch (das treulose Stück küsst ja auch noch andere! ;😉 )
Vielleicht gab es bei den Griechen deswegen auch gleich 9 Stück davon? 😀
Nee, sorry, jetzt im Ernst, ich glaube, mir ist schon klar geworden, dass es Euch um die Beteiligung von etwas religiös/göttlichem dabei geht und das Ganze gewissermaßen in einem Top-Down Prozess ohne eigenes Zutun ablaufen kann. Wobei diese Beteiligung natürlich nix nutzt, wenn man, wie ich, nicht mal weiss, wie man den Pinsel richtig hält 😉
 
@ Dreamdancer
"Ich kann mir vorstellen, woher das kommt, aber das ist natürlich ausgesprochen dumm"

Naja, ich würde das nicht als "dumm" bezeichnen, möglicherweise etwas engstirnig und drastisch, aber nicht "dumm", immerhin hatte diese Apologetik doch positive Resultate ... 😀

"Inzwischen bin ich doch ganz froh, dass ich nicht Musikwissenschaften studiert habe..."

Ich habe auch das Musikstudium zugunsten des Jurastudiums aufgegeben, und das war auch gut so. Absolut. 🙂
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Naja und was das Komponieren anbelangt ... im Endeffekt denke ich, für jeden Komponisten ist das Komponieren etwas anderes ... ich finde nur, dass sich die Einstellung der Komponisten/ Musiker in Bezug auf den Schaffensprozess und überhaupt auf die Musik, in den letzten Jahren so drastisch verändert hat, dass es oft so aussieht (jedenfalls in meiner Wahrnehmung) als ob ihre wesentlichen Merkmale /und Werte allmählich verloren gehen, ohne sich jedoch in andere ... "Qualitäten" zu modifizieren. Verstehst Du, was ich meine? Die alten musikalischen Werte verschwinden, so scheint es, ohne das andere sichtbar werden, und es ist irgendiwe sehr traurig zu beobachten, wie einige Musiker/Komponisten (von heute), die sehr talentiert und ambitioniert sind, einer gewissen "schablonartigen" Tendenz in ihrem Schaffen nachgehen. Eigentlich eine traurige Entwicklung.
 
DianaS schrieb:
Naja, ich würde das nicht als "dumm" bezeichnen, möglicherweise etwas engstirnig und drastisch, aber nicht "dumm",
Einigen wir uns auf "ignorant"?
DianaS schrieb:
Die alten musikalischen Werte verschwinden, so scheint es, ohne das andere sichtbar werden, und es ist irgendiwe sehr traurig zu beobachten, wie einige Musiker/Komponisten (von heute), die sehr talentiert und ambitioniert sind, einer gewissen "schablonartigen" Tendenz in ihrem Schaffen nachgehen.
Hast Du da auch jemanden Bestimmtes im Sinne? Welche "Werte" meinst Du?
 
dreamdancer schrieb:
Hast Du da auch jemanden Bestimmtes im Sinne? Welche "Werte" meinst Du?

Das hätte ich jetzt auch gefragt.
Aus der Diskussion habe ich mich herausgenommen, weil ich von euch allen der musisch/künstlerisch unbegabteste Mensch bin und einfach nur eure Betrachtungen lesen wollte.
 
@ Dreamdancer, Ash
Welche Werte??!! Individualität des Künstlers, Idealismus, das authentische, lebendige Erschaffen, der authentische Klang, Fortschritt (und ja vielleicht eine Art absolute Musik) ... ich habe sie bereits unten beschrieben, diese Werte, aber irgendwie versteht ihr mich einfach nicht, was möglicherweise an meinem unzureichenden Deutsch liegt ... 🙁 auch was das Komponieren anbelangt, es ging mir nicht um das Handwerkliche, davon gehe ich einfach aus, jeder Musikhochschulabsolvent beherrscht das "Handwerk", aber nicht jeder Musikhochschulabsolvent ist in der Lage wirklich Großes hervorzubringen. Meine Ausgangsüberlegung war: Was macht einen Musiker zu einem Künstler, zu einem Komponisten und um es zu exemplifizieren an dem Werk von Ernst Horn: Ist Ernsts Komponieren wirklich nur auf das "Handwerkliche" bezogen? Nein, ganz sicher nicht, auch wenn Ernst dies in den Interviews - aus welchem Grund auch immer - nicht zugeben will. Denn, wenn dem so wäre, dann würde seine Musik anders klingen, beliebig klingen, einfallslos, kommerziell und einfach nur langweilig, und ja, dann wäre er wirklich so etwas wir ein geistiger Seismograph, der durch intellektuelle "Artikulation" seine Zeit in der Musik irgendwie "abbildet", und dann wäre es reichlich traurig. Aber Deine Lakaien sind dankenswerterweise keine "Seismographen", auch wenn sie es öffentlich nicht zugeben wollen / können. Nicht umsonst hat mich ihre Musik (insb. Solo - Projekte) so sehr fasziniert, insb. Herr Veljanov ist (in meiner Wahrnehmung) ein wundervoller Künstler, mit einer lebendigen Intelligenz (im musikalischen Sinne), die ich bis dato noch nie so bei einem deutschen Musiker kennengelernt habe.

Ob ich da jemanden Bestimmtes im Sinne habe? Ja. Viele. Ich meine, dieses ganze Schablonenartige in der heutigen Musikwelt, ist doch nur schwer zu ertragen ... und mir wird übel, wenn ich lese, wie ein renommierter Musikkritiker über eine mittelmäßige Band schreibt, die Musiker dieser Band hätten das Niveau von Dream Theater erreicht ... Dream Theater auf eine Stufe mit einer ... "Feld- Wald- und Wiesenband" zu stellen. Was für eine Geschmacklosigkeit! Und es ist wirklich erstaunlich, wie viele sog. Bands immer wieder gleiche Konzeptionen hervorbringen, die im Grunde nur langweilig sind, und ihre sog. Werke als Musik erklären und auch als Musik "verkaufen" ... ich habe mir vor einigen Tagen so ca. zehn Alben angesehen, alle Alben enthalten identische Beschreibung: Düstere Melodien, mittelalterliche Klänge, Sehnsucht pur ... alles "Apologeten" von schablonenartiger Ausdrucksweise. T r a u r i g.
 
Ich verstehe, was du meinst, Diana.
Vorteil an der ganzen, vermeintlich breitgefächerten Musikbranche ist, dass man schneller zwischen "Hampelmann des Musikverlags" und "Künstler mit Fleisch, Blut und Seele" unterscheiden kann :| Aber so wirklich tröstlich ist das nicht.
 
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