Zusammenspiel von Text, "Gefühl" und Musik

Lady Ash

I am a Darkstar
Auslösend für diese Überlegung sind zwei andere threads (Wikipedia, Europa und die Bedeutung des „Gefühls“ in der neuen EP) in unterschiedlichen Foren, sowie eine private Unterhaltung und ich weiß nicht wohin mit meinen Gedanken … also dachte ich, versuche ich es hier.

Alexander Veljanov sagt von sich, er singe zwar unheimlich gerne, aber er stelle sich ja nu auch nicht hin und mache einfach „lalala“ - was, nebenbei bemerkt, bei ihm vermutlich ganz nett klingen würde. :)
Daraus schließe ich, dass Texte schon eine gewisse Relevanz für ihn haben. Und die (neuen) Texte von Veljanov und DL haben ja auch eine ganze Menge Substanz - was für mich wichtig ist, denn musikalisch ungebildet wie ich bin, läuft bei mir einfach viel über's Textverständnis.
Ich habe die vergangene Woche hauptsächlich wegen „jenes Makedoniers“ (so wurde er im Internationalen Forum wahrscheinlich inkorrekt aber irgendwie nett tituliert) die neuere Geschichte des Balkan studiert und stehe nun sprachlos vor den verheerenden Folgen, die die Gier, Intoleranz und schreckliche Dummheit einzelner Staatsoberhäupter oder politischer Richtungen für die Menschen einer ganzen Region haben. Ich kann nun besser verstehen, wie dankbar wir Mittel/Westeuropäer dafür sein sollten, einfach hier leben zu dürfen und vielleicht eher nachvollziehen, was es heißt, Europäer „3. Kategorie“ zu sein… ein Thema, das ja nicht nur federführend in der Porta Macedonia war, sondern auch in der Indicator eine Rolle spielt.
Bei einer auf PN Ebene geführten „Diskussion“ der letzten Woche kam die Frage auf, warum die (künstlerische) Welt DL und Veljanov brauche. Wenn ich nun antworten würde, „damit uns diese Zusammenhänge in klangästhetischer Weise vor Augen geführt werden“ - liege ich dann richtig? Alexander Veljanov als eine Art singender Anwalt für das Armenhaus Europas? Es gibt Schlimmeres, aber ich glaube das reicht nicht.

Ich denke vielmehr, dass ich aufgrund meiner fehlenden musikalischen Bildung irgendetwas einfach nicht wahrnehme, was die meisten von euch sehen/hören.
Um dem auf die Spur zu kommen, würde ich mich schon interessieren, ob DL/Veljanov/Helium Vola durch Texte oder Musik auf euch wirken?
Wirken alle gleich (stark)?
Und ganz wichtig: Könnt ihr sagen, warum sie unterschiedlich wirken?
 
Ash, Du hast meinen Satz irgendwie völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Im meiner PN ging es weder um die neue EP noch um DL, es ging vielmehr (ausschließlich) um das Projekt VELJANOV. In diesem Zusammenhang schrieb ich, dass es Herrn Veljanov, meiner Einschätzung nach, noch etwas der Mut dazu fehlt, zu zeigen, warum er Porta Macedonia entwarf. Bitte nicht falsch verstehen: Ich liebe seine Musik und Du sollst wissen, dass der Künstler Veljanov gerade durch Porta Macedonia in meiner Wahrnehmung einen Grad der Perfektion erreicht hat, der mich zutiefst beeindruckt und berührt. Nur habe/hatte ich zuweilen das Gefühl, dass Herr Veljanov sich hinter Platitüden und Floskeln versteckt und nicht wirklich den Mut hat, aus sich "herauszugehen" und seine hmm ... Gefühle - Zorn, Abscheu, Bitterkeit, Schmerz, Liebe - in den Musikstücken (öffentlich) "auszuleben" (gerade in Bezug auf Themen wie Europa, Immigration, Krieg, Entwurzelung, Ausbeutung etc. ist dies, meiner Ansicht nach, von enormer Bedeutung) Und warum nicht? Das PM - Projekt ist doch sein Werk, sein Medium. Es trägt seine Ideen (wundervolle Ideen).
Helium Vola wirkt auf mich vor allem durch Musik ... DL durch Musik und Texte, Veljanov durch Musik, Texte und dieses nicht in Worte gefasste Gefühl ... ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll, ich habe ja bereits versucht, es Dir in einer PN zu erklären, es gelang mir aber nicht ... hmm ... ist mir eigentlich noch nie passiert ... aber manche Dinge sind ja auch rational nicht so gut darzustellen ... ein Freund sagt, ich sollte mir eine Porta Macedonia - Pause "gönnen", 4 - 8 Wochen, auf diese Weise kann man nämlich Gedanken auch mal reifen lassen und zu fundierten Überzeugungen kommen. Und dann fällt es auch leichter, das Objektive zu erfassen.
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Der Satz "Alexander Veljanov als eine Art singender Anwalt für das Armenhaus Europas" gefällt mir. :)
 
Nachtrag @ Ash
Ohne "Porta Macedonia" hätte ich die Calic und Radovi? Bücher möglicherweise nicht gelesen und finde die Idee, tragische Entwicklung in Mazedonien (die diesen kleinen Staat in Bezug auf Wirtschaftswachstum und insbesondere die Mitgliedschaf in der EU und in der NATO beeinträchtigte) musikalisch aufzuarbeiten, um mehr Menschen für die Probleme und Nöte dieses Landes zu sensibilisieren, großartig und bemerkenswert. Und, das ist ein sehr guter Grund für Albumveröffentlichung ... naja, welche Gründe Herr Veljanov im Einzelnen auch immer haben mag, mit seinem Soloprojekt trägt er dazu bei, diese Welt ein kleines Stückchen besser zu machen ... vielleicht ein kleines Stückchen gerechter ... :)
 
DianaS meinte:
Ash, Du hast meinen Satz irgendwie völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Im meiner PN ging es weder um die neue EP noch um DL, es ging vielmehr (ausschließlich) um das Projekt VELJANOV.

Diana, das weiß ich wohl. Darum habe ich nicht erwähnt, dass ich mich auf einen Satz von dir bezog, sondern nur, dass ich mich mit jemandem unterhalten hatte. Ich würde nicht öffentlich Pns zitieren, weder den Inhalt noch die Korrespondenten nennen - ganz sicher niemals, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen: Das wollte ich nicht, und habe ich nach meiner Einschätzung auch nicht getan. Private Unterhaltungen in ein öffentliches Licht zu zerren ist nicht mein Stil.
Nichtsdestotrotz ist mir unsere Unterhaltung nicht aus dem Kopf gegangen, ist gewachsen und hat bei mir immer größer werdende Kreise gezogen. Du sagst mit der Eleganz und Selbstverständlichkeit eines ganzen musikalischen Lebens "Gefühl" und das ist gut und richtig, während ich durch MEIN Leben gelernt habe, Gefühlen eher zu misstrauen.
Ich weiß nicht, ob ich die Gefühle eines Interpreten richtig erkennen und deuten könnte, oder ihr Fehlen überhaupt bemerken würde. Ich kann sehen, ob ein Text Substanz hat und finde die Musik dazu passend oder unpassend, ansprechend oder nicht. Die Meta-Dimension darüber bleibt mir (vielleicht nur vorerst) verschlossen, obwohl ich jetzt vielleicht anfange zu verstehen, was du meinst.

DianaS meinte:
dass Herr Veljanov sich hinter Platitüden und Floskeln versteckt und nicht wirklich den Mut hat, aus sich "herauszugehen" und seine hmm ... Gefühle - Zorn, Abscheu, Bitterkeit, Schmerz, Liebe - in den Musikstücken (öffentlich) "auszuleben" (gerade in Bezug auf Themen wie Europa, Immigration, Krieg, Entwurzelung, Ausbeutung etc. ist dies, meiner Ansicht nach, von enormer Bedeutung)

Vielleicht kann er nicht (immer) Gefühle senden, wenn auch er ihnen im Innersten misstraut? So wie ich wahrscheinlich (meistens) nicht einmal glauben würde, was ich zu empfangen meine. Ein gemeinsames Schicksal in der Generation 40+? :-\ Wir sind alle gefühlskalte Monster? :p
Aber jenseits der Flapsigkeit denke ich, dass du mir jetzt endlich und trotz meiner Begriffsstutzigkeit deinen Standpunkt vermittelt hast.
Danke schön dafür :)
 
@Ash
ich dachte einfach immer, dass Musik durch Gefühle entsteht, ich meine den Produktionsprozess ... hmm ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll ... wenn also Deinem Kopf eine Melodie entspringen soll, dann muss doch zuerst das Gefühl für dasjenige da sein, das Du umsetzen willst? Oder nicht? Du setzt Dich also ans Klavier mit einem Stück Notenpapier und Bleistift, Du lokalisiert zunächst das Gefühl, Du analysierst es, interpretierst es um, überträgst es an das Instrument, und am Ende entsteht eine Melodie ... also als "Materialisierung" Deiner Empfindungen ... ich finde, gute Musik braucht nicht unbedingt einen Text, gute Musik transportiert vor allem dieses einzigartige Gefühl, das sowieso nicht in Worte gefasst werden kann, denk an die Werke von Chopin, Beethoven, Tschaikowski und Bach ...
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Ich habe gerade in der F.A.Z. einen Beitrag über Wahn und Kunst gelesen und wie gefährlich es sein kann, wenn die Grenzen zwischen Leben und Kunst/Musik verschwimmen ... vielleicht deshalb versucht Herr Veljanov Musik als ganz normalen Job zu betrachten und zu behandeln ...
 
Ja, ich glaube, ich habe es jetzt wirklich begriffen. Schwere Geburt ... danke für deine Geduld :) Wieviel ich davon sofort umsetzen kann, ist eine andere Frage, aber zumindest glaube ich jetzt zu wissen, was du meinst.
DianaS meinte:
Ich habe gerade in der F.A.Z. einen Beitrag über Wahn und Kunst gelesen und wie gefährlich es sein kann, wenn die Grenzen zwischen Leben und Kunst/Musik verschwimmen ... vielleicht deshalb versucht Herr Veljanov Musik als ganz normalen Job zu betrachten und zu behandeln ...
Den Artikel kenne ich jetzt zwar nicht - aber durch meine Beschäftigung mit dem Leben von Thomas Mann kann ich in etwa nachvollziehen, was für Gefahren (vor allem auch für die Kinder des Künstlers, das kann ich nie dabei vergessen) eine solche Verschmelzung bergen. Zudem bin ich ganz gewiss nicht der Meinung, dass man weniger authentisch wird, nur weil man versucht, sein Talent und die davon abhängige manchmal übersteigerte Wahrnehmung der Welt als Arbeit zu betrachten und von den Alltäglichkeiten des Lebens zu trennen. Was wahrscheinlich schwer genug ist.
 
@ Ash
Mein Prof. am Konservatorium hat mir damals diese "Methode" erklärt, ich brauchte ein ganzes Jahr, um zu begreifen, was er meint ...
 
DianaS meinte:
Helium Vola wirkt auf mich vor allem durch Musik ...
"Für Euch die Ihr Liebt" enthält aber auch wundervolle Lyrics, u.a. von Francesco Petrarca und Hermann Löhns ... "Darkness" von Young finde ich auch sehr schön ... Darkness, darkness be my pillow, take my head and let me sleep, in the coolness of your shadow, in the silence of your deep ... ich mag dieses Stück sehr. :x
 
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