Der Bericht aus Bonn - nein - Baden-Baden:
Nun denn - es ist Sonntagmittag - ich habe wirklich keine Lust mehr durch Berlin zu eiern und begebe mich zum Flughafen Tegel zurück.
Ich suche nach einem Zeitvertreib bis zum Check in. Finde ihn in Form eines Restaurants und lasse mich da nieder.
Ich sitze vor einem unüberschaubaren Berg Grünzeug und versuche das Ganze ohne grössere Klecker-Pannen abzutragen.
Nach dem Verzehr von einem Salat, einem Ginger Ale, zwei Tassen Darjeeling und 2 Kopfschmerztabletten beginne ich mich schrecklich zu langweilen.
Ich habe echt keinen Bock noch eine „Spiegel“-Ausgabe von vorne bis hinten durchzulesen, anrufen will ich auch gerade niemanden denn ich habe immernoch entsetzliche Kopfschmerzen. Mir fällt nichts Besseres ein also setze ich mich in die Wartezone und zücke mein Notizbuch.
Hier das Ergebnis:
An evening with Deine Lakaien at the Neue Nationalgalerie, Berlin:
Eines vorweg: Ich hätte das Konzert noch mehr geniessen können wenn meine Füsse nicht so unendlich geschmerzt hätten - „alte Menschen“ so lange in der Kälte und in der regenfeuchten Luft warten zu lassen, grenzt an seelische Grausamkeit! Aber die Leute der neuen Nationalgalerie waren ja wirklich alle sehr nett - sehr angenehm!
Auf Konzerten wie auch auf Flughäfen offenbaren sich unweigerlich zwei typisch deutsche schlechte Eigenschaften: Das sich-nicht-vernünftig-in-einer-Reihe-anstellen-können und das immer-mitten-im-weg-aprupt-stehen-bleiben-müssen. Gulp!
Das nur am Rande.
Zum Geschehen:
Ziemlich nervig bei dem Konzert waren die zwei absoluten Horror-Weiber, die direkt hinter mir standen und ohne Unterlass entweder Schwachsinn blubberten oder sich über so weltbewegende Dinge wie „Wasser holen“ oder „der anderen richtig zuhören“ in die Haare kriegten.
Auch ein sich bei Konzertbeginn dazwischendrängelnder Konzertbesucher bekam sein Fett weg und wurde ob seiner Dreistigkeit erstmal rüde beschimpft und bespuckt... man fasst es nicht! :x
Auch scheint es wohl immer ein paar Leute zu geben, die es nicht kapieren und schon gar nicht akzeptieren wollen, dass es tatsächlich Locations gibt, in denen ein absolutes Rauchverbot wirklich angebracht ist - die Räumlichkeiten in einer Nationalgalerie zähle ich definitiv dazu.
Wie dem auch sei - die Stimmung war ja ausserordentlich gut - auf wie vor der Bühne - und mir hat es auch wirklich gut gefallen. Meine Herrn - da müssen tatsächlich 14 Jahre ins Land gehen, damit ich „Wasted years“ doch nochmal live hören darf!
Eine Frage treibt mich um:
Trifft die These, dass sich Ehepartner im Laufe der Jahre immer ähnlicher werden eigentlich auch auf langjährige Bandkollegen zu?
Denn Herr Horn kann in punkto Haarlänge nun auch bald mit seinem wesentlich jüngeren Bandkollegen mithalten - wer es nicht besser weiß, könnte ihn glatt mit Tom Petty verwechseln... :wink:
Der Herr Veljanov war stimmlich in bester Form und scheint offensichtlich immer mehr Freude am „Schmettern“ gefunden zu haben - auch das Vibrato hat er für sich entdeckt - mich persönlich hat das sehr gefreut.
Die zwei, drei Text- und Einsatzpatzer quittierte das Publikum mit freudigem Applaus und Herr Veljanov mit einem recht lustig anzusehenden, verlegenen Grinsen.
Herr Petty - äh - Horn am Steinway spielte um sein Leben und ging dabei derart rüde mit dem teuren Instrument um, dass einem ganz bange werden konnte um die Gesundheit des Flügels - aber ich nehme ja mal an, Herr Horn ist gut versichert?!? Wie hoch ist sein Flügel-Verschleiß eigentlich so im Schnitt? :wink:
Jedenfalls war das Resultat ganz fantastisch - man hätte meinen können, der chef d'orchestre hätte mindestens acht Arme und heimlich einen Synthesizer im Piano versteckt.
Sehr amüsant ist auch das absolut nonverbale Entertainment von Herrn Horn sowie die ebenfalls fast wortlose Kommunikation zwischen ihm und seinem Sänger, die sich durch eine Mischung aus Nicken, Kopfschütteln, Augenrollen, Stirnrunzeln, Augenbrauen hochziehen, Grinsen und Wimpern plimpern auszeichnet - zum piepen!
Der Unterhaltungsfaktor der beiden ist wirklich ungleich höher wenn sie nur zu zweit auf der Bühne stehen und sich gegenseitig die Bälle zuspielen dürfen.
Herr Veljanov durfte sich noch über einen Strauß roter Rose freuen den er aus der ersten Reihe überreicht bekam - Herr Horn eher weniger denn er bekam mit selbigem Blumengebinde beim Abgang nach der letzten Zugabe vom übermütigen Sänger erstmal hinterrücks eine gepaddelt.
Über die Qualität der musikalischen Darbietung lässt sich überhaupt nicht streiten denn diese war absolut hervorragend. Es ist eine Freude mitanzusehen, wie Deine Lakaien offensichtlich von ihrem grossen diesjährigen Jubiläum animiert und angestachelt werden, jetzt nur nicht nachzulassen und immer frisch bei der Sache zu bleiben. Das ist schön und das freut den Konzertbesucher. Und: Das ist definitiv „value for money“ - da bereut man es auch nicht (hauptsächlich) wegen einem Konzert nach Berlin geflogen zu sein.
Wollen wir also hoffen, dass das so bleibt.
So das war das.
Mittlererweile sitze ich vorm Schalter und warte auf den Check in und darf Günther Netzer dabei beobachten wie er versucht, einchecken und Autogramme geben gleichzeitig abzuwinkeln - sieht lustig aus.
Die Fokker 100 hebt ab und eine Stunde später bin ich auch schon zuhause.
In diesem Sinne: Vielen Dank an alle Beteiligten, die aus der ganzen Unternehmung eine so runde Sache gemacht haben - thank you & keep up the good work!
Cheerio,
Muhli