Hallo!
Vielleicht kann dieses und das Interview aus dem Weserkurier, was ja leider sehr kurz war, zu den bestehenden Artikeln hinzugefügt werden.
Viel Spass beim Lesen!
Viele Grüsse
anno
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Deine Lakaien Interview
Für Jemanden, der den Winter nicht ausstehen kann und Weihnachen noch viel weniger, hat es mich schon überrascht, mich beim Hören des neuen Deine Lakaien Albums immer wieder bei romantischen Wintervorstellungen zu ertappen und auf weiße Weihnachten zu hoffen. "White Lies" ist wahrlich ein Winteralbum. Weiß und verträumt, friedlich und schwelgerisch. Daß Musik auch wärmen kann, sei hiermit bewiesen.
Was es sonst noch Neues und Interessantes von dem ungleichen Paar gibt, gilt es im Folgenden nachzulesen.
Etoile: Ihr hattet ein stressiges Jahr, oder?
Alexander Veljanov: Ach stressig, mein Gott, es war sehr arbeitsintensiv. Also ich habe mein Soloalbum veröffentlicht, promotet und auf die Bühne gebracht und gleichzeitig hat Ernst Helium Vola gemacht und Lakaien auch schon vorbereitet und dann haben wir im Sommer ganz intensiv das Lakaienalbum fertig produziert.
Ernst Horn: Für mich war das Jahr absolut brutal. Wahnsinnig viel Arbeit und im Privatleben ging's drunter und drüber... So ein Jahr habe ich noch nie gehabt. Wird Zeit, daß es vorbei ist.
Etoile: Habt ihr denn über Weihnachten ein wenig Zeit?
AV: Ja, Weihnachten ist zum Glück Pause.
EH: Mit meiner Kleinen zusammen...
AV: Weihnachten ist eigentlich egal, aber die Familie. Denn Gott sei Dank ruht das Musikgeschäft zwischen Weihnachten und Silvester. Da wird man auch nicht telefonisch oder per Email oder wie auch immer belästigt. Aber vor Weihnachten machen wir noch die beiden Akustikauftritte, die wir uns selber aus reiner Freude eingebrockt haben. Ist eigentlich völlig überflüssig, weil wir sowieso zuviel zu tun haben. Aber da wir diese Klavierkonzerte schon so lange nicht mehr gemacht haben, dachten wir uns, so als erstes Lebenszeichen nach der Single und vor dem Album, zwei vorweihnachtliche Fangeschenke sozusagen zu machen.
Etoile: Die beiden Konzerte stehen auch noch gar nicht so lange fest.
AV: Stimmt, erst ein paar Wochen. Es wird nicht plakatiert, ist halt nur für Insider.
EH: Und noch nicht geübt.
AV: Und noch nicht geübt. Ja, schön eigentlich, daß wir nach so vielen Jahren, nach 6 Jahren, endlich mal wieder akustisch zu sehen sind.
Etoile: Ihr habt da auch richtig Lust drauf, wenn ich das richtig mitbekomme, oder?
AV: Ja, ja. Absolut.
Etoile: Und ihr seid dann auch nur zu zweit alleine auf der Bühne.
AV: Ja, wie damals eben. Das ist nur ein präparierter Flügel. Ernst nimmt das Klavier als Ganzes und sorgt dafür, daß es mächtig ächzt und ich versuche dazu zu singen.
Etoile: Bei der zweiten Tour wart ihr doch mit den Blaine L. Reininger und Steven Brown von Tuxedomoon auf Tour.
AV: Das war die erste. Aber getrennt, das war einfach nur ein Doppelkonzert.
EH: Eigentlich hätten wir mit ihnen ein Stück zusammen machen sollen.
AV: Ja, eigentlich schon. Großartige Leute. Sehr nett.
EH: Sehr seltsam. Blaine zumindest.
Etoile: Zum Album. "White Lies" wird am 7. Januar herauskommen. Was bedeutet der Titel und in welchem Zusammenhang steht er zum Gesamtalbum?
AV: Wir haben erst ganz spät den Albumtitel festgelegt. Wir wollten keinen Song zum Albumtitel machen, um eine Gewichtung zu vermeiden. Das Schöne an dem Titel ist, unserer Meinung nach, eigentlich die Vieldeutigkeit, das Nichtgreifenkönnen. "White Lies" heißt ja "Notlügen", dann heißt es auch "Weiß lügt", "weiße Lügen". Man kann also alles Mögliche hinein interpretieren. Das Gesamtkonzept ist in Weiß gehalten als provokative Message in Richtung unser Kritiker, die oft sagen, Deine Lakaien hören wir uns gar nicht erst an; das ist sowieso nur schwarzer Müll. Und schließlich die Tatsache, daß Weiß und Schwarz eigentlich das gleiche ist, beides nichts, eine ideale Fläche, eine leere Welt, in die man alles Mögliche hineinstellen kann.
Etoile: Seid ihr denn dieses Mal mit dem Video zu "Generators" zufrieden?
AV: Besser als beim letzten Mal, also zumindest als bei "Return". "Return" fand ich ganz grauenhaft, ehrlich gesagt. Und "Into My Arms" war dann o.K. Damit hatten wir dann nicht solche Probleme. Na ja, und diesmal habe ich schon versucht, Wert drauf zu legen, daß man sich nicht dafür schämen muß.
EH: Ja, also es war auf jeden Fall eine gute Entscheidung für solch ein Video. Es ist ja eher ein künstlerisch ästhetisches Konzept ohne Geschichte. Und nachdem dieses Stück "Generators" sowieso etwas sperriger ist, als man es von einer Lakaien Single oder überhaupt von einer Single generell erwarten würde, war es einfach eine gute Entscheidung. Wir wissen sowieso, ganz egal mit welchem Video, wir werden nie in diese großen Kommerzrotationen kommen. Die Radios werden eine solche Single auch nicht spielen. Egal welche Single, von Lakaien werden sie nichts spielen. Und insofern war's gut, weil es genau sowenig oder genau sooft wie unsere anderen Videos vorher auch gespielt wurde. Und da haben wir uns wenigstens mit Anstand und Würde aus der Affäre gezogen.
AV: Es fällt auf jeden Fall auf. Das ist das Wichtigste. Es entspricht weder den üblichen Darkwave-Klischees, noch den üblichen Mainstreamabläufen. Man sollte dem Video auch nicht allzuviel Wert beimessen. Im Grunde ist es ja der Song, der in Vordergrund stehen sollte. Und ich hoffe, daß der Song durch das Video nicht zu sehr manipuliert oder überdeckt wird.
Etoile: Wird es noch eine weitere Single geben?
EH: Ich glaube eigentlich eher nicht.
AV: Auf jeden Fall wir es eine Clubsingle für die Szeneclubs geben. Aber da sind wir noch am sondieren. Die Meinungen gehen da auseinander.
EH: Also mit den Singles ist das generell so eine Sache. Die Plattenfirma und wir haben mehr oder weniger einfach stillschweigend festgelegt, daß eine Single bei uns eine Mini-CD mit unveröffentlichten Stücken ist und nicht denselben Stellenwert hat, wie eine Single von anderen Bands. Das ist auch so in Ordnung. Und das hat auch die Plattenfirma eingesehen, daß es so bei uns wirklich sinnvoller ist.
AV: Wir sind einfach eine Albumband, die sehr viele Alben verkauft und nebenbei vielleicht auch mal eine Single. Es war ja auch so, daß wir gesagt haben, o.K., wenn eine Single, dann aber wirklich deutlich vor dem Album und nicht so als Alibi, sondern eine Single mit neuen Tracks, die an sich auch einen Wert für den Fan hat und nicht nur einfach ein Song aus dem Album mit 5 Remixen. Wir wollen in erster Linie mit dem Album Erfolg haben. Und wir sind auch nicht diejenigen, die sagen, wir müssen sofort das nächste Video drehen. Vielleicht drehen wir auch überhaupt kein Video. Das ist nicht so wichtig. MTV spielt uns sowieso nicht, grundsätzlich nicht, egal was wir abliefern. Das ist einfach so eine Vorgabe: Musik aus dem sogenannten Darkwavebereich wird nicht gespielt, Punkt aus. Viva ist da komischerweise offener, obwohl man immer denkt, MTV wäre ein bißchen progressiver. Und Viva Zwei, die uns in der Vergangenheit ja wirklich gut unterstützt haben, auch mit Generators, weil sie wissen, daß viele ihrer Seher auch Lakaien mögen, wird ja eingestellt. Insofern ist die Videofrage ein bißchen überflüssig. Und das Geld, das man für so ein Video verbrät, das steckt man lieber in sinnvolle andere Sachen.
Etoile: Bei der "Kasmodiah" sind bei der Fernseh- Promotion Sachen gelaufen, die nicht so wirklich schön waren. Diese Sache bei Pro 7 z.B.. Wird es dieses Mal auch Fersehinterviews geben?
AV: Ja, allerdings. Das war einfach eine chaotische, blöde Show. Diese Frühstücksshow. Die fanden es anscheinend besonders lustig, uns da als Lakaien...na ja. Der Typ war halt auch ganz besonders angekotzt. Wir haben uns dann aber auch ganz gut aus der Affäre gezogen. Ja, das war eine Sache, wo auch die Plattenfirma gesagt hat, sorry, das wußten wir nicht. Wir wußten, daß sie Interesse hatten, aber daß der Typ da so Scheiße drauf war?? Die waren auch alle unter sich zerstritten. Eine ganz furchtbare Stimmung. Man hätte fast richtig Angst bekommen können. Und dann haben wir uns eben auch ein bißchen daneben benommen, als ich dann z.B. anfing in der Bar die Flaschen zu leeren. Aber wie gesagt, wir werden immer gefragt, ob wir etwas machen wollen oder nicht. Das war unser eigener Fehler. Und wenn es dann jetzt vom Fernsehen Interesse gibt, dann muß man das diskutieren. Top of the Pops ist ja immer so ein Reizthema. Da sind wir diesmal zum Glück dran vorbei geschrammt mit der Single.
Etoile: Lacrimosa wären ja gern zu Top of the Pops gegangen.
AV: Echt? Na ja gut, wir wurden vorgestellt, weil wir eben relativ schnell hoch gechartet sind. Das war dann, Gott sein dank, auch alles. Aber man muß sich halt überlegen, wie man es macht. Ich habe letztens zufällig Farin Urlaub gesehen mit seiner romantischen Smiths Erinnerung. Das ist natürlich leichtfüßiger als unsere Musik, aber er zieht sich da ja auch ganz angenehm aus der Affäre. Man muß halt gucken, ob man so einen Blödsinn mitmachen will oder nicht. Ich meine, sicherlich warum nicht. Es ist im Grunde nur ein Portal für die Jugend, die wissen wollen, was singletechnisch neu ist. Sie sind eben nicht in irgendwelchen Undergroundszenen verhaftet, weil sie einfach meistenteils noch zu jung sind. Und warum sollen die immer nur Oli P. ’s sehen und nicht mal Deine Lakaien. Da kann ich dann auch Kollegen verstehen, die jetzt musikalisch, meiner Meinung nach, nicht allzuviel mit uns zu tun haben, wie Lacrimosa. Die aber noch viel mehr für eine Szene stehen als wir. Tilo Wolff ist, glaube ich, für viele das klassische Gruftklischee: Musik, Optik, Artwork, alles was er macht. Und wenn er dann glaubt, die Szene in Top of the Pops vertreten zu müssen, ist das ja auch o.K. Die Hip-Hop-Bands haben ja auch mit allen Mitteln ihren Underground in die Mainstream-Kompatibilität gepusht.
Etoile: Es gibt bei Euch bestimmte Themen, die über mehrere Alben hinweg verfolgt werden und so eine Kette von Songs bilden. Mit "Lonely" begann solch eine Serie. Und auch "Reincarnation" wird immer wieder neu aufgegriffen. Wird es auf "White Lies" eine solche Fortsetzung geben?
EH: Ja, "Life Is A Sexually Transmitted Disease" ist das neue "Reincarnation". Nummer hundertzwanzig oder so. "Reincarnation" steht symbolisch für das Abhandeln von großen Fragen: Leben, Tod, Wiedergeburt. Und das wird dann halt immer ganz verschieden angepackt. Und diesmal ist die Theorie, daß es im Grunde sowieso nur Materialismus gibt. Was die Leute so als transzendent empfinden, ist letztendlich auch nur New Age und bringt halt Kohle. Also ein recht abgefuckter Standpunkt. Der Refrain ist dann ein resignierender Satz: Das Leben ist eh nur eine sexuell übertragene Krankheit.
AV: Ungefragt wird man in diese Krankheit geschickt.
Etoile: Ernst, Du hast wieder mehr Texte geschrieben als beim letzten Album.
EH: Diese Mal wieder mehr, ja. Das kam daher, daß ich Anfang 2000 sehr viele Texte geschrieben habe, als ich die Vorplanung für mehrere Projekte gemacht habe.
AV: Ich habe ja auch viel für mein Soloalbum geschrieben und bei Helium Vola hat Ernst ja ausschließlich Fremdtexte benutzt. Insofern hatte er halt einen überschuß. Bei uns gibt es auch nicht diese klassische Aufteilung eines Synthieduos: der Sänger textet und der andere Herr ist dann für die Musik verantwortlich. Bei uns mischt sich das ja in allen möglichen Bereichen. Es gibt Songs, wo ich Text, er Musik oder umgekehrt oder einer beides.
Etoile: Was hat es eigentlich mit Houellebecq auf sich?
EH: Ah ja, das ist so eine kleine Inspiration von mir. Er hat ja ein paar Romane geschrieben. "Elementarteilchen" ist ja sein viel diskutierter Roman, in dem er auch als letzte Lösung aus seiner Verzweiflung das Klonen eines geschlechtslosen Wesens empfiehlt. Und das ist bei mir ein bißchen eingeflossen. Eine Sozialschmonzette über ein Mädchen und spätere Frau, die im Leben ein bißchen zu kurz gekommen ist, eben nicht so hübsch ist wie andere - das typische Mauerblümchenschicksal - und später als gutherzige Oma auch noch beschissen wird. Schließlich stößt jemand, der einen Gencode sucht, um diesen millionenfach zu verklonen, dann aber auf sie und wählt sie aus, weil er dann das Herz, den Charakter über Alles stellt.
Etoile: "Prayer" ist das.
EH: Ja, "Prayer".
Etoile: Wie sieht es denn jetzt live aus. Die Tour wird Anfang März starten. Gibt's Gastmusiker?
EH: Es werden auf jeden Fall Gastmusiker dabei sein. Aber wir werden die ganze musikalische Herangehensweise ein wenig umkrempeln. Auch der synthetische Teil wird etwas anders gestaltet sein. Unser Lichtmann wird sich auch ein paar neue Sachen einfallen lassen. Das ist, finde ich, auch notwendig. Unsere Konzerte waren in einer Art und Weise doch immer sehr konstant, auch vom musikalischen Aufbau. Und das wollen wir jetzt alles ein bißchen anders machen.
Etoile: Werden auch wieder mittelalterliche Instrumente mit dabei sein?
EH: Ne, das wird es nicht mehr geben. Ich würde bei "Kiss" gern so etwas machen, aber ich glaube, daß das im Gesamten nicht so viel Sinn macht.
Etoile: Wie sieht es denn inzwischen mit dem Ausland aus? Tut sich da was?
AV: Ja, ich habe heute mit zwei französischen Journalisten gesprochen, gestern war Belgien und Italien dabei. Und es gibt noch weitere Anfragen. Wir hatten auch immer wieder Konzerte in Belgien, in Frankreich, in der Schweiz, in Tschechien. Aber wir haben auch Vieles immer ablehnen müssen. Für Spanien und Skandinavien gab es mal Angebote. Aber dieses Mal wollen wir wirklich auch nach dieser Märztour eine kleine Europatour starten, weil das Interesse anscheinend steigt. Gerade in Frankreich, wie ich jetzt erfahren habe, ist unser Standing in der Szene recht gut. Wir sind natürlich überall dort klar in einer Waveszene, oder wie auch immer sie sich nennt, verhaftet. Und das ist auch o.K.. In Deutschland haben wir auch aus dieser Szene heraus unseren Erfolg aufgebaut. Das kann im Ausland genau so funktionieren. Wir sind nie Auslandsgigs hinterher gerannt. Außerdem ist der Aufwand, den Ernst live betreibt, so immens, daß man Amerikakonzerte bisher überhaupt nicht hätte realisieren können. Diese Tonnen von Elektronik nach übersee zu verschiffen, ist ja auch ein logistisches und finanzielles Problem.
EH: Es war halt immer alles sehr speziell, was wir gemacht haben.
AV: Anfang März spielen wir noch zwei Festivals in Belgien und Holland. Da machen wir allerdings auch das Akustikset, weil es sonst auch etwas schwierig würde. Also wir sind ehrlich gesagt sehr hungrig auf Europa. Ich persönlich weniger auf Amerika. Ich finde Europa erst einmal sehr reizvoll. Vor allem Skandinavien auf der einen Seite und Südeuropa auf der anderen Seite.
Etoile: Ihr würdet aber niemals als Supportband auf Tour gehen, oder?
AV: Es waren vor ein paar Jahren zwei Sachen im Gespräch, einmal Cure Europasupport und Depeche Mode. Es ist Beides im Sande verlaufen, weil ich, ich muß ehrlich sagen, nicht so wild drauf bin, bei Depeche Mode Vorband zu sein. Ich weiß ganz genau, daß man als Vorband bei Depeche Mode überhaupt keine Chance hat. Miranda Sex Garden waren damals Support und die wurden überall nur ausgebuht. Ich weiß nicht wie es Fad Gadget erging. Ich hoffe, daß er einigermaßen Respekt hervorgerufen hat.
EH: Der macht aber auch eine Musik, der scheißt sich dann auch wirklich nix drum. Das wäre auch die einzige Haltung, die man einnehmen könnte, daß man Alles so krass macht und sich um die ganzen Popper da 'nen Dreck scheißt.
Etoile: Wird es mal wieder ein Livealbum geben? Vielleicht sogar "Acoustic 2"?
AV: Also es gibt da Aufnahmevorbereitungen.
EH: Ja, also "Acoustic 2" vielleicht nicht. Aber ich denke, daß es sinnvoll ist, alles mitzuschneiden. Wir haben die "Kasmodiah"-Tour weitgehend mitgeschnitten, "Winterfish" auch große Teile. Das schien mir allerdings alles vom Material her nicht sooo wahnsinnig, daß man es unbedingt veröffentlichen mußte. Es wäre sinnvoll, wenn wir jetzt ein neues Konzept haben, daß man zumindest die Sachen aufnimmt, um dann vielleicht ein Surroundalbum zu machen. Das wäre ein guter Einstieg in diese Technologie. Da würde es dann auch Sinn machen, einen optischen Teil dazu zu machen. Man muß einfach auch nicht alles raushauen, was man irgendwann mal aufgenommen hat.
Etoile: Jetzt muß ich doch mal nach eurem zweiten Album fragen. Wird es irgendwann mal veröffentlicht?
AV: (lacht, schlägt die Hände überm Kopf zusammen) nächste Frage, nächste Frage...
EH: Ach die silberne Cassette, unser zweites unveröffentlichtes Album. Also ich möchte schon, daß das mal rauskommt.
AV: Nach meinem Ableben bitte.
EH: Alexander steht da irgendwie nicht so drauf. Aber im Moment ist es eben so, daß wir unsere Linie haben und es würde die Sache dann doch ein wenig stören. Aber ich denke schon, daß da sehr viel Substanz drin ist, auch wenn man uns das dann als Jugendsünde vorhalten könnte.
AV: Aber das jetzt zu veröffentlichen, in dem Kontext, in dem wir heute stehen? Es ist einfach schlecht ein Signal an die öffentlichkeit zu senden, das sind Deine Lakaien. Die meisten hören ja ganz oberflächlich und unzusammenhängend, und wenn die dann so ein Stück von 1985 hören und dann damit Deine Lakaien 2002 verbinden, das wäre auch nicht richtig.
EH: Ja, aber wenn dann ganz groß drauf steht "The unreleased silver-tape from..."
Es ist halt wirklich ganz anders. Mir hat jemand erzählt, er hätte es bei Ebay aus den USA ersteigert.
AV: Na ja, Kultbands haben immer Bootlegs und dabei sollten wir es auch erst einmal belassen. Wer es unbedingt haben will, kann es sich natürlich in einer grauenhaften Qualität besorgen: irgendwie 25. Kopie von irgendeiner Cassette.
EH: Na ja, ich meine, ich habe es auf DAT....
AV: Auch du vertreibst die Bootlegs? Also wenn wir mal so eine Art "Best of" machen, oder eine Fanbox "The History of Deine Lakaien", so ein Ding, das dann aus 5 CD ’s besteht und 120 DM kostet oder so, dann könnte man es dazu packen - für den Fan.
Etoile: Ernst lieb es, Du haßt es, oder wie?
AV: Nein, ich hasse es nicht. Es ist nicht wirklich schlimm, aber diese Aufgabe, die mir Ernst da gegeben hat, die ich als unerfahrener Sänger lösen mußte... Auch das "Weiße Album" kann ich mir heute nur mit einem nostalgischen Tränchen anhören, weil es vom Gesang her so schrecklich ist. Nicht schrecklich aber total naiv, unerfahren, voller Unschuld und Unerfahrenheit... Das ist aber auch ein ganz zerrissenes Ding geworden... Ja, schwere Kost, abgesehen natürlich von den Hits, die ....
EH: Wir haben halt "Reincarnation", "Love Me To The End" und "Days Gone By" herausgenommen. Und der Rest ist dann schon mehr wie "Days Gone By". "Reincarnation" und "Love Me To The End" waren schon mit Abstand die eingängigsten Stücke. Aber ansonsten ist das schon ziemlich heftig. Aber man muß das irgendwann mal rausbringen, weil es einfach ein Dokument ist, wie ich finde.
Etoile: Macht zum Schluß noch mal ein wenig Werbung für eure neue Platte.
EH: Also, zu viele CD ’s sollte man sich nicht kaufen.
AV: Unsere schon, oder?
EH: Unsere schon? Hmm? Darüber muß ich ernstmal noch nachdenken....
Na ja, also im Vergleich zur "Kasmodiah" ist es eine schon recht introvertierte Zuhörplatte. Es ist ein ruhiges Album. Es ist, glaube ich, wirklich etwas für Leute, die sich Zeit nehmen wollen. Weniger etwas fürs Autoradio oder für ’n Computer oder fürs Hausaufgaben machen oder so. Wirklich etwas zum in Ruhe Anhören, was bei uns Lakaien schon immer so war, aber dieses Mal sogar noch ein wenig mehr. Und ich glaube, diese Leute werden das wirklich lieben. Da bin ich mir sicher.
Etoile: Vielleicht bis auf "Stupid".
AV: Na ja, das ist hat so ein Reizstück, wie es das auf anderen Platten auch schon gegeben hat, das halt auch polarisieren soll...
Etoile: Habt Ihr Lieblingstücke auf der Platte?
AV: Also mein Lieblingsstück ist "Silence In Your Eyes" aus unerklärlichen Gründen. Es ist vielleicht nicht das beste, aber ich finde es so unglaublich gut gelungen.
EH: "Where You Are" ist so ein Stück für mich. Ich mag diese Stimmung sehr gern.
Etoile: Gut das war's. Danke und viel Erfolg mit eurem Album und mit der kommenden Tour.
TimTim
L'Etolie Noir, 13.12.2001
Vielleicht kann dieses und das Interview aus dem Weserkurier, was ja leider sehr kurz war, zu den bestehenden Artikeln hinzugefügt werden.
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Viele Grüsse
anno
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Deine Lakaien Interview
Für Jemanden, der den Winter nicht ausstehen kann und Weihnachen noch viel weniger, hat es mich schon überrascht, mich beim Hören des neuen Deine Lakaien Albums immer wieder bei romantischen Wintervorstellungen zu ertappen und auf weiße Weihnachten zu hoffen. "White Lies" ist wahrlich ein Winteralbum. Weiß und verträumt, friedlich und schwelgerisch. Daß Musik auch wärmen kann, sei hiermit bewiesen.
Was es sonst noch Neues und Interessantes von dem ungleichen Paar gibt, gilt es im Folgenden nachzulesen.
Etoile: Ihr hattet ein stressiges Jahr, oder?
Alexander Veljanov: Ach stressig, mein Gott, es war sehr arbeitsintensiv. Also ich habe mein Soloalbum veröffentlicht, promotet und auf die Bühne gebracht und gleichzeitig hat Ernst Helium Vola gemacht und Lakaien auch schon vorbereitet und dann haben wir im Sommer ganz intensiv das Lakaienalbum fertig produziert.
Ernst Horn: Für mich war das Jahr absolut brutal. Wahnsinnig viel Arbeit und im Privatleben ging's drunter und drüber... So ein Jahr habe ich noch nie gehabt. Wird Zeit, daß es vorbei ist.
Etoile: Habt ihr denn über Weihnachten ein wenig Zeit?
AV: Ja, Weihnachten ist zum Glück Pause.
EH: Mit meiner Kleinen zusammen...
AV: Weihnachten ist eigentlich egal, aber die Familie. Denn Gott sei Dank ruht das Musikgeschäft zwischen Weihnachten und Silvester. Da wird man auch nicht telefonisch oder per Email oder wie auch immer belästigt. Aber vor Weihnachten machen wir noch die beiden Akustikauftritte, die wir uns selber aus reiner Freude eingebrockt haben. Ist eigentlich völlig überflüssig, weil wir sowieso zuviel zu tun haben. Aber da wir diese Klavierkonzerte schon so lange nicht mehr gemacht haben, dachten wir uns, so als erstes Lebenszeichen nach der Single und vor dem Album, zwei vorweihnachtliche Fangeschenke sozusagen zu machen.
Etoile: Die beiden Konzerte stehen auch noch gar nicht so lange fest.
AV: Stimmt, erst ein paar Wochen. Es wird nicht plakatiert, ist halt nur für Insider.
EH: Und noch nicht geübt.
AV: Und noch nicht geübt. Ja, schön eigentlich, daß wir nach so vielen Jahren, nach 6 Jahren, endlich mal wieder akustisch zu sehen sind.
Etoile: Ihr habt da auch richtig Lust drauf, wenn ich das richtig mitbekomme, oder?
AV: Ja, ja. Absolut.
Etoile: Und ihr seid dann auch nur zu zweit alleine auf der Bühne.
AV: Ja, wie damals eben. Das ist nur ein präparierter Flügel. Ernst nimmt das Klavier als Ganzes und sorgt dafür, daß es mächtig ächzt und ich versuche dazu zu singen.
Etoile: Bei der zweiten Tour wart ihr doch mit den Blaine L. Reininger und Steven Brown von Tuxedomoon auf Tour.
AV: Das war die erste. Aber getrennt, das war einfach nur ein Doppelkonzert.
EH: Eigentlich hätten wir mit ihnen ein Stück zusammen machen sollen.
AV: Ja, eigentlich schon. Großartige Leute. Sehr nett.
EH: Sehr seltsam. Blaine zumindest.
Etoile: Zum Album. "White Lies" wird am 7. Januar herauskommen. Was bedeutet der Titel und in welchem Zusammenhang steht er zum Gesamtalbum?
AV: Wir haben erst ganz spät den Albumtitel festgelegt. Wir wollten keinen Song zum Albumtitel machen, um eine Gewichtung zu vermeiden. Das Schöne an dem Titel ist, unserer Meinung nach, eigentlich die Vieldeutigkeit, das Nichtgreifenkönnen. "White Lies" heißt ja "Notlügen", dann heißt es auch "Weiß lügt", "weiße Lügen". Man kann also alles Mögliche hinein interpretieren. Das Gesamtkonzept ist in Weiß gehalten als provokative Message in Richtung unser Kritiker, die oft sagen, Deine Lakaien hören wir uns gar nicht erst an; das ist sowieso nur schwarzer Müll. Und schließlich die Tatsache, daß Weiß und Schwarz eigentlich das gleiche ist, beides nichts, eine ideale Fläche, eine leere Welt, in die man alles Mögliche hineinstellen kann.
Etoile: Seid ihr denn dieses Mal mit dem Video zu "Generators" zufrieden?
AV: Besser als beim letzten Mal, also zumindest als bei "Return". "Return" fand ich ganz grauenhaft, ehrlich gesagt. Und "Into My Arms" war dann o.K. Damit hatten wir dann nicht solche Probleme. Na ja, und diesmal habe ich schon versucht, Wert drauf zu legen, daß man sich nicht dafür schämen muß.
EH: Ja, also es war auf jeden Fall eine gute Entscheidung für solch ein Video. Es ist ja eher ein künstlerisch ästhetisches Konzept ohne Geschichte. Und nachdem dieses Stück "Generators" sowieso etwas sperriger ist, als man es von einer Lakaien Single oder überhaupt von einer Single generell erwarten würde, war es einfach eine gute Entscheidung. Wir wissen sowieso, ganz egal mit welchem Video, wir werden nie in diese großen Kommerzrotationen kommen. Die Radios werden eine solche Single auch nicht spielen. Egal welche Single, von Lakaien werden sie nichts spielen. Und insofern war's gut, weil es genau sowenig oder genau sooft wie unsere anderen Videos vorher auch gespielt wurde. Und da haben wir uns wenigstens mit Anstand und Würde aus der Affäre gezogen.
AV: Es fällt auf jeden Fall auf. Das ist das Wichtigste. Es entspricht weder den üblichen Darkwave-Klischees, noch den üblichen Mainstreamabläufen. Man sollte dem Video auch nicht allzuviel Wert beimessen. Im Grunde ist es ja der Song, der in Vordergrund stehen sollte. Und ich hoffe, daß der Song durch das Video nicht zu sehr manipuliert oder überdeckt wird.
Etoile: Wird es noch eine weitere Single geben?
EH: Ich glaube eigentlich eher nicht.
AV: Auf jeden Fall wir es eine Clubsingle für die Szeneclubs geben. Aber da sind wir noch am sondieren. Die Meinungen gehen da auseinander.
EH: Also mit den Singles ist das generell so eine Sache. Die Plattenfirma und wir haben mehr oder weniger einfach stillschweigend festgelegt, daß eine Single bei uns eine Mini-CD mit unveröffentlichten Stücken ist und nicht denselben Stellenwert hat, wie eine Single von anderen Bands. Das ist auch so in Ordnung. Und das hat auch die Plattenfirma eingesehen, daß es so bei uns wirklich sinnvoller ist.
AV: Wir sind einfach eine Albumband, die sehr viele Alben verkauft und nebenbei vielleicht auch mal eine Single. Es war ja auch so, daß wir gesagt haben, o.K., wenn eine Single, dann aber wirklich deutlich vor dem Album und nicht so als Alibi, sondern eine Single mit neuen Tracks, die an sich auch einen Wert für den Fan hat und nicht nur einfach ein Song aus dem Album mit 5 Remixen. Wir wollen in erster Linie mit dem Album Erfolg haben. Und wir sind auch nicht diejenigen, die sagen, wir müssen sofort das nächste Video drehen. Vielleicht drehen wir auch überhaupt kein Video. Das ist nicht so wichtig. MTV spielt uns sowieso nicht, grundsätzlich nicht, egal was wir abliefern. Das ist einfach so eine Vorgabe: Musik aus dem sogenannten Darkwavebereich wird nicht gespielt, Punkt aus. Viva ist da komischerweise offener, obwohl man immer denkt, MTV wäre ein bißchen progressiver. Und Viva Zwei, die uns in der Vergangenheit ja wirklich gut unterstützt haben, auch mit Generators, weil sie wissen, daß viele ihrer Seher auch Lakaien mögen, wird ja eingestellt. Insofern ist die Videofrage ein bißchen überflüssig. Und das Geld, das man für so ein Video verbrät, das steckt man lieber in sinnvolle andere Sachen.
Etoile: Bei der "Kasmodiah" sind bei der Fernseh- Promotion Sachen gelaufen, die nicht so wirklich schön waren. Diese Sache bei Pro 7 z.B.. Wird es dieses Mal auch Fersehinterviews geben?
AV: Ja, allerdings. Das war einfach eine chaotische, blöde Show. Diese Frühstücksshow. Die fanden es anscheinend besonders lustig, uns da als Lakaien...na ja. Der Typ war halt auch ganz besonders angekotzt. Wir haben uns dann aber auch ganz gut aus der Affäre gezogen. Ja, das war eine Sache, wo auch die Plattenfirma gesagt hat, sorry, das wußten wir nicht. Wir wußten, daß sie Interesse hatten, aber daß der Typ da so Scheiße drauf war?? Die waren auch alle unter sich zerstritten. Eine ganz furchtbare Stimmung. Man hätte fast richtig Angst bekommen können. Und dann haben wir uns eben auch ein bißchen daneben benommen, als ich dann z.B. anfing in der Bar die Flaschen zu leeren. Aber wie gesagt, wir werden immer gefragt, ob wir etwas machen wollen oder nicht. Das war unser eigener Fehler. Und wenn es dann jetzt vom Fernsehen Interesse gibt, dann muß man das diskutieren. Top of the Pops ist ja immer so ein Reizthema. Da sind wir diesmal zum Glück dran vorbei geschrammt mit der Single.
Etoile: Lacrimosa wären ja gern zu Top of the Pops gegangen.
AV: Echt? Na ja gut, wir wurden vorgestellt, weil wir eben relativ schnell hoch gechartet sind. Das war dann, Gott sein dank, auch alles. Aber man muß sich halt überlegen, wie man es macht. Ich habe letztens zufällig Farin Urlaub gesehen mit seiner romantischen Smiths Erinnerung. Das ist natürlich leichtfüßiger als unsere Musik, aber er zieht sich da ja auch ganz angenehm aus der Affäre. Man muß halt gucken, ob man so einen Blödsinn mitmachen will oder nicht. Ich meine, sicherlich warum nicht. Es ist im Grunde nur ein Portal für die Jugend, die wissen wollen, was singletechnisch neu ist. Sie sind eben nicht in irgendwelchen Undergroundszenen verhaftet, weil sie einfach meistenteils noch zu jung sind. Und warum sollen die immer nur Oli P. ’s sehen und nicht mal Deine Lakaien. Da kann ich dann auch Kollegen verstehen, die jetzt musikalisch, meiner Meinung nach, nicht allzuviel mit uns zu tun haben, wie Lacrimosa. Die aber noch viel mehr für eine Szene stehen als wir. Tilo Wolff ist, glaube ich, für viele das klassische Gruftklischee: Musik, Optik, Artwork, alles was er macht. Und wenn er dann glaubt, die Szene in Top of the Pops vertreten zu müssen, ist das ja auch o.K. Die Hip-Hop-Bands haben ja auch mit allen Mitteln ihren Underground in die Mainstream-Kompatibilität gepusht.
Etoile: Es gibt bei Euch bestimmte Themen, die über mehrere Alben hinweg verfolgt werden und so eine Kette von Songs bilden. Mit "Lonely" begann solch eine Serie. Und auch "Reincarnation" wird immer wieder neu aufgegriffen. Wird es auf "White Lies" eine solche Fortsetzung geben?
EH: Ja, "Life Is A Sexually Transmitted Disease" ist das neue "Reincarnation". Nummer hundertzwanzig oder so. "Reincarnation" steht symbolisch für das Abhandeln von großen Fragen: Leben, Tod, Wiedergeburt. Und das wird dann halt immer ganz verschieden angepackt. Und diesmal ist die Theorie, daß es im Grunde sowieso nur Materialismus gibt. Was die Leute so als transzendent empfinden, ist letztendlich auch nur New Age und bringt halt Kohle. Also ein recht abgefuckter Standpunkt. Der Refrain ist dann ein resignierender Satz: Das Leben ist eh nur eine sexuell übertragene Krankheit.
AV: Ungefragt wird man in diese Krankheit geschickt.
Etoile: Ernst, Du hast wieder mehr Texte geschrieben als beim letzten Album.
EH: Diese Mal wieder mehr, ja. Das kam daher, daß ich Anfang 2000 sehr viele Texte geschrieben habe, als ich die Vorplanung für mehrere Projekte gemacht habe.
AV: Ich habe ja auch viel für mein Soloalbum geschrieben und bei Helium Vola hat Ernst ja ausschließlich Fremdtexte benutzt. Insofern hatte er halt einen überschuß. Bei uns gibt es auch nicht diese klassische Aufteilung eines Synthieduos: der Sänger textet und der andere Herr ist dann für die Musik verantwortlich. Bei uns mischt sich das ja in allen möglichen Bereichen. Es gibt Songs, wo ich Text, er Musik oder umgekehrt oder einer beides.
Etoile: Was hat es eigentlich mit Houellebecq auf sich?
EH: Ah ja, das ist so eine kleine Inspiration von mir. Er hat ja ein paar Romane geschrieben. "Elementarteilchen" ist ja sein viel diskutierter Roman, in dem er auch als letzte Lösung aus seiner Verzweiflung das Klonen eines geschlechtslosen Wesens empfiehlt. Und das ist bei mir ein bißchen eingeflossen. Eine Sozialschmonzette über ein Mädchen und spätere Frau, die im Leben ein bißchen zu kurz gekommen ist, eben nicht so hübsch ist wie andere - das typische Mauerblümchenschicksal - und später als gutherzige Oma auch noch beschissen wird. Schließlich stößt jemand, der einen Gencode sucht, um diesen millionenfach zu verklonen, dann aber auf sie und wählt sie aus, weil er dann das Herz, den Charakter über Alles stellt.
Etoile: "Prayer" ist das.
EH: Ja, "Prayer".
Etoile: Wie sieht es denn jetzt live aus. Die Tour wird Anfang März starten. Gibt's Gastmusiker?
EH: Es werden auf jeden Fall Gastmusiker dabei sein. Aber wir werden die ganze musikalische Herangehensweise ein wenig umkrempeln. Auch der synthetische Teil wird etwas anders gestaltet sein. Unser Lichtmann wird sich auch ein paar neue Sachen einfallen lassen. Das ist, finde ich, auch notwendig. Unsere Konzerte waren in einer Art und Weise doch immer sehr konstant, auch vom musikalischen Aufbau. Und das wollen wir jetzt alles ein bißchen anders machen.
Etoile: Werden auch wieder mittelalterliche Instrumente mit dabei sein?
EH: Ne, das wird es nicht mehr geben. Ich würde bei "Kiss" gern so etwas machen, aber ich glaube, daß das im Gesamten nicht so viel Sinn macht.
Etoile: Wie sieht es denn inzwischen mit dem Ausland aus? Tut sich da was?
AV: Ja, ich habe heute mit zwei französischen Journalisten gesprochen, gestern war Belgien und Italien dabei. Und es gibt noch weitere Anfragen. Wir hatten auch immer wieder Konzerte in Belgien, in Frankreich, in der Schweiz, in Tschechien. Aber wir haben auch Vieles immer ablehnen müssen. Für Spanien und Skandinavien gab es mal Angebote. Aber dieses Mal wollen wir wirklich auch nach dieser Märztour eine kleine Europatour starten, weil das Interesse anscheinend steigt. Gerade in Frankreich, wie ich jetzt erfahren habe, ist unser Standing in der Szene recht gut. Wir sind natürlich überall dort klar in einer Waveszene, oder wie auch immer sie sich nennt, verhaftet. Und das ist auch o.K.. In Deutschland haben wir auch aus dieser Szene heraus unseren Erfolg aufgebaut. Das kann im Ausland genau so funktionieren. Wir sind nie Auslandsgigs hinterher gerannt. Außerdem ist der Aufwand, den Ernst live betreibt, so immens, daß man Amerikakonzerte bisher überhaupt nicht hätte realisieren können. Diese Tonnen von Elektronik nach übersee zu verschiffen, ist ja auch ein logistisches und finanzielles Problem.
EH: Es war halt immer alles sehr speziell, was wir gemacht haben.
AV: Anfang März spielen wir noch zwei Festivals in Belgien und Holland. Da machen wir allerdings auch das Akustikset, weil es sonst auch etwas schwierig würde. Also wir sind ehrlich gesagt sehr hungrig auf Europa. Ich persönlich weniger auf Amerika. Ich finde Europa erst einmal sehr reizvoll. Vor allem Skandinavien auf der einen Seite und Südeuropa auf der anderen Seite.
Etoile: Ihr würdet aber niemals als Supportband auf Tour gehen, oder?
AV: Es waren vor ein paar Jahren zwei Sachen im Gespräch, einmal Cure Europasupport und Depeche Mode. Es ist Beides im Sande verlaufen, weil ich, ich muß ehrlich sagen, nicht so wild drauf bin, bei Depeche Mode Vorband zu sein. Ich weiß ganz genau, daß man als Vorband bei Depeche Mode überhaupt keine Chance hat. Miranda Sex Garden waren damals Support und die wurden überall nur ausgebuht. Ich weiß nicht wie es Fad Gadget erging. Ich hoffe, daß er einigermaßen Respekt hervorgerufen hat.
EH: Der macht aber auch eine Musik, der scheißt sich dann auch wirklich nix drum. Das wäre auch die einzige Haltung, die man einnehmen könnte, daß man Alles so krass macht und sich um die ganzen Popper da 'nen Dreck scheißt.
Etoile: Wird es mal wieder ein Livealbum geben? Vielleicht sogar "Acoustic 2"?
AV: Also es gibt da Aufnahmevorbereitungen.
EH: Ja, also "Acoustic 2" vielleicht nicht. Aber ich denke, daß es sinnvoll ist, alles mitzuschneiden. Wir haben die "Kasmodiah"-Tour weitgehend mitgeschnitten, "Winterfish" auch große Teile. Das schien mir allerdings alles vom Material her nicht sooo wahnsinnig, daß man es unbedingt veröffentlichen mußte. Es wäre sinnvoll, wenn wir jetzt ein neues Konzept haben, daß man zumindest die Sachen aufnimmt, um dann vielleicht ein Surroundalbum zu machen. Das wäre ein guter Einstieg in diese Technologie. Da würde es dann auch Sinn machen, einen optischen Teil dazu zu machen. Man muß einfach auch nicht alles raushauen, was man irgendwann mal aufgenommen hat.
Etoile: Jetzt muß ich doch mal nach eurem zweiten Album fragen. Wird es irgendwann mal veröffentlicht?
AV: (lacht, schlägt die Hände überm Kopf zusammen) nächste Frage, nächste Frage...
EH: Ach die silberne Cassette, unser zweites unveröffentlichtes Album. Also ich möchte schon, daß das mal rauskommt.
AV: Nach meinem Ableben bitte.
EH: Alexander steht da irgendwie nicht so drauf. Aber im Moment ist es eben so, daß wir unsere Linie haben und es würde die Sache dann doch ein wenig stören. Aber ich denke schon, daß da sehr viel Substanz drin ist, auch wenn man uns das dann als Jugendsünde vorhalten könnte.
AV: Aber das jetzt zu veröffentlichen, in dem Kontext, in dem wir heute stehen? Es ist einfach schlecht ein Signal an die öffentlichkeit zu senden, das sind Deine Lakaien. Die meisten hören ja ganz oberflächlich und unzusammenhängend, und wenn die dann so ein Stück von 1985 hören und dann damit Deine Lakaien 2002 verbinden, das wäre auch nicht richtig.
EH: Ja, aber wenn dann ganz groß drauf steht "The unreleased silver-tape from..."
Es ist halt wirklich ganz anders. Mir hat jemand erzählt, er hätte es bei Ebay aus den USA ersteigert.
AV: Na ja, Kultbands haben immer Bootlegs und dabei sollten wir es auch erst einmal belassen. Wer es unbedingt haben will, kann es sich natürlich in einer grauenhaften Qualität besorgen: irgendwie 25. Kopie von irgendeiner Cassette.
EH: Na ja, ich meine, ich habe es auf DAT....
AV: Auch du vertreibst die Bootlegs? Also wenn wir mal so eine Art "Best of" machen, oder eine Fanbox "The History of Deine Lakaien", so ein Ding, das dann aus 5 CD ’s besteht und 120 DM kostet oder so, dann könnte man es dazu packen - für den Fan.
Etoile: Ernst lieb es, Du haßt es, oder wie?
AV: Nein, ich hasse es nicht. Es ist nicht wirklich schlimm, aber diese Aufgabe, die mir Ernst da gegeben hat, die ich als unerfahrener Sänger lösen mußte... Auch das "Weiße Album" kann ich mir heute nur mit einem nostalgischen Tränchen anhören, weil es vom Gesang her so schrecklich ist. Nicht schrecklich aber total naiv, unerfahren, voller Unschuld und Unerfahrenheit... Das ist aber auch ein ganz zerrissenes Ding geworden... Ja, schwere Kost, abgesehen natürlich von den Hits, die ....
EH: Wir haben halt "Reincarnation", "Love Me To The End" und "Days Gone By" herausgenommen. Und der Rest ist dann schon mehr wie "Days Gone By". "Reincarnation" und "Love Me To The End" waren schon mit Abstand die eingängigsten Stücke. Aber ansonsten ist das schon ziemlich heftig. Aber man muß das irgendwann mal rausbringen, weil es einfach ein Dokument ist, wie ich finde.
Etoile: Macht zum Schluß noch mal ein wenig Werbung für eure neue Platte.
EH: Also, zu viele CD ’s sollte man sich nicht kaufen.
AV: Unsere schon, oder?
EH: Unsere schon? Hmm? Darüber muß ich ernstmal noch nachdenken....
Na ja, also im Vergleich zur "Kasmodiah" ist es eine schon recht introvertierte Zuhörplatte. Es ist ein ruhiges Album. Es ist, glaube ich, wirklich etwas für Leute, die sich Zeit nehmen wollen. Weniger etwas fürs Autoradio oder für ’n Computer oder fürs Hausaufgaben machen oder so. Wirklich etwas zum in Ruhe Anhören, was bei uns Lakaien schon immer so war, aber dieses Mal sogar noch ein wenig mehr. Und ich glaube, diese Leute werden das wirklich lieben. Da bin ich mir sicher.
Etoile: Vielleicht bis auf "Stupid".
AV: Na ja, das ist hat so ein Reizstück, wie es das auf anderen Platten auch schon gegeben hat, das halt auch polarisieren soll...
Etoile: Habt Ihr Lieblingstücke auf der Platte?
AV: Also mein Lieblingsstück ist "Silence In Your Eyes" aus unerklärlichen Gründen. Es ist vielleicht nicht das beste, aber ich finde es so unglaublich gut gelungen.
EH: "Where You Are" ist so ein Stück für mich. Ich mag diese Stimmung sehr gern.
Etoile: Gut das war's. Danke und viel Erfolg mit eurem Album und mit der kommenden Tour.
TimTim
L'Etolie Noir, 13.12.2001