@dreamdancer
Ich mag die Beschreibung von FEE als Rohdiamant und WFT dann als geschliffenes Kleinod. Obendrein spielt sicher auch eine Rolle, dass wir selber mit jedem neuen Album dass wir hören, der Erfahrungshorizont größer wird. Meine Vermutung ist: Würde ich mit WFT eingestiegen sein, wäre dieses Album vermutlich mein klarer Favorit. Einfach weil ich ja selber sehe, wie bei mir das nachträglich entdeckte Debutalbum gewirkt (bzw. nicht so sehr gewirkt) hat. Da führt dann vielleicht, wenn man von 96/97 aus zurückblickt, genau dieser Feinschliff. Und dann zieht man eben eine Kleinigkeit von den Punkten dieses Albums ab.
Ok - schauen wir mal was wir sonst noch so haben.
Teil 2:
White Lies - 8 von 10
Das Kaninchenalbum. Und dieses Cover ist wirklich sinnbildlich für alles, was dieses Album anbelangt. Schnell zugegriffen und gehört ... und zack ... erstmal enttäuscht. Trotz "Life is a sexually transmitted disease", "Kiss" (welches mich irgendwie an eine Fortsetzung von "Follow me" denken lässt) und "Stupid", war mir das Album zunächst ein bisschen zu ruhig ausgefallen. Trotzdem hat dieses Werk der Lakaien eine echte Langzeitentwicklung hingelegt. Es wurde quasi mit jedem Durchlauf besser. Wobei mich zumindest "Hands White" und "Where you are" vom Fleck weg überzeugen konnten. Das Kaninchen? Es hat kein Gesicht im eigentlichen Sinne. Keine Nase, keinen Mund und an Stelle der Augen befinden sich Barcodes. Ich gebe zu, diese Details sind mir nicht sofort aufgefallen. Mit Blick auf den Hörgenuss, gilt das 1:1. Folgerichtig, wird dieses Kaninchen auch keinen Verdauungstrackt haben. Es lebt quasi aus sich heraus. Und in ihm sind die Lakaien. Vollständig integriert, vollständig gekapselt. Vermutlich galt es hier auch, die Trennung von Michael Popp und Christian Komorowski zu verarbeiten. Man kann einfach nicht verhindern, dass einen "Wunderbar", "Fleeting" und "Where you are" so richtig packen. "Prayer", "Silence in your eyes" und "Lost" lassen einen inne halten und irgendwie die Zeit vergessen. Etwas, dass man auch erst einmal hinbekommen muss. Irgendwie wirkt das Album wie der ruhige Gegenpol zu FEE und WFT wenn ich's mir recht überlege. Ein geschliffener Diamant, aber einer, der sein Licht von innen heraus wirkt und kaum nach außen abgibt. Interessanterweise lässt einen "One minus one" dann auch eher verstört zurück. Ich liebe ja "May be" und hätte es mir gut als positives Ende der "White Lies" vorstellen können. Aber wenn ich mir das mal genau durchdenke, dann ist der Nullpunkt wohl einfach nur ehrlich um von dort aus das Werk der Lakaien fortzusetzen. Und in Sachen Homogenität, ist "White Lies" sowas wie der Zenit des Lakaien Schaffens. Dumm nur, dass die Lakaien auch noch andere Facetten haben, die auf diesem Werk ein wenig zu kurz kommen. Daher reicht es hier nicht für die Bestnote.
1987 - 7 von 10
Interessanterweise empfinde ich das "Silver Tape" als eine konsequente Weiterentwicklung des Debutalbums. In sofern ist es nur folgerichtig, es mit Blick auf die Wertung genau zwischen "Dark Star" und eben diesem einzuordnen. Die drei Klassiker die es auf das "Dark Star" Album geschafft haben, muss ich hier im Forum ganz sicher nicht mehr erwähnen. Während das Debut an manchen Stellen ("Love will not die", "Fashion, Passion....") eine gewisse Leichtigkeit hatte, ist diese auf 1987 wie weggewischt. Düster, elektronisch, teils verstörend. So würde ich die Höreindrücke beschreiben. Dabei sind manche Songs sicher mit Recht in die Schublade verschwunden. So gefallen mir z.B. "Queue up for redemption" und "Battle of the Ghost" nicht wirklich. Was irgendwo auch auf Alexanders Art diese Songs zu singen zurückgeht. Aber auch davon ab, sind das in meinen Ohren einfach nicht die großen Kracher.
Andere dagegen - "Flowers of Love", "The Pope" und vor allem auch "On the way to Narmada" gefallen mir sehr. Auch die Songs dieses Albums haben wieder eine Livedarbietung gebraucht, um für mich ins richtige Licht zu rücken. Hier war das "Concert that never happened before" in Hannover der richtige Rahmen und es hat sich auch unter die Top 3 meiner bisherigen Lakaien Konzerterlebnisse geschlichen (von über 20 Besuchen bislang). Was für ein Glück, dass dieses Erlebnis dann trotz hängenlassen der Plattenfirma, noch stattfinden konnte.
April Skies - 7 von 10
Ein Album, wie Aprilwetter. Und genauso wechselhafte Kapriolen schlagen auch die hier enthaltenen Songs. Wie auf der "White Lies" ragen hier für mich vor allem die ruhigeren Momente heraus. "Vivre", "Satellite" und "Dialectic" finde ich toll. Während es mir von den uptempo Songs vor allem "Heart made to be mine" angetan hat. Für mich DER Song dieses Albums schlechthin. Insgesamt ist "April Skies" wieder deutlich stärker "nach vorn ausgerichtet" als "White Lies" oder eben auch "1987". Aber es gibt auch Aspekte darauf, mit denen ich mich schwer tue. Die über 5 Minuten lange Version von "Over and done" zum Beispiel. Ich habe nachgezählt. Über 70 !! mal wiederholen Alexander und Ivee Leon / Sharifa die Phrase "Over and done" und auch der Rest des Textes ist jetzt nicht grade überragend. Dieser Wiederholfaktor ist quasi so, als würde einem jemand mit dem Vorschlaghammer diese Worte einprügeln wollen. Weniger wäre da echt mehr gewesen. 3 1/2 bis 4 Minuten völlig ausreichend. Nun - zumindest live hat mich "Over and done" dann doch überzeugen können. Aber die Albumversion? Geh mir weg damit. Dass die Streicher auf "April Skies" ihren Anteil an den Songs bekommen, ist großartig. Nur hätte man Robert Wilcox von der Produktion fernhalten sollen. Diese Gitarrensounds nerven zumindest mich ziemlich. Bestes Beispiel: "Midnight Sun". "Slowly comes my night" und "Secret Hideaway" kann ich genießen obwohl ich hier das Gefühl habe, diese Art Musik von den Lakaien schonmal besser gehört zu haben. Tja und dann sind da noch diese seltsam durchwachsenen Songs "When you lose" und "Through the hall", sowie den Bonus Track "Falling", die schlicht durchfallen. "April Skies" war dann auch das erste Album, bei dem unterschiedliche Versionen mit unterschiedlichen Bonus Songs in Umlauf gebracht wurden. Alles Dinge, die mir nicht sonderlich gefallen haben. Über das Gesamtfazit "durchwachsen" kommt dieses Album daher nicht hinaus. Von daher werden die 7 von 10 Punkten hier auch so grade noch angekratzt.
Indicator - 9 von 10
Na bitte. Geht doch.
Was "April Skies" an Boden verschenkt hat, macht der Nachfolger wieder gut. Schon die Vorabsingle "Gone" war ein echter Hammer. Veröffentlicht genau passend zu meinem Hochzeitstag im August 2010, wirkte sie wie ein persönliches Geschenk der Lakaien. Und was für eins. Diese elektronischen Spielereien die sich durch den Song ziehen, der treibende Beat im Refrain und dann dieser Gipfel in schwindelerregenden Höhen, die durch das Cello Solo erreicht werden. Ich war selten sprachlos. Aber in dem Moment war klar, dass hier ist nicht mehr und nicht weniger als die packendste Single, die ich je von den Lakaien gehört habe.
Hach und dann ist da dieser bunte Strauss an gelungenen Songs, die einen "Indicator" immer wieder hervorholen lassen. "Go away bad dreams" zum Beispiel. Leider war das auf der "Indicator Tour" und auch danach, bisher nicht live zu hören. "In the haze of the rising day, when the sounds are dying away, from the blackest depth of my soul, get myself back under control..." Wow - das sind genau die Lakaien, wie ich sie liebe. Dann natürlich nicht nur das bei den Kritikern beliebte "The old man is dead". Wo einem die Lakaien durch den Gebrauch von Samples (Weinflaschen lassen grüßen) schlicht zeigen, welche Qualität sie zu liefern imstande sind. Ob nun das treibende "Six 'o clock", die traumhaft schönen "Along our road" und "One night" (an dem ich mich live leider inzwischen überhört habe) das neckische "Blue heart" oder die kritischen Töne in "Europe" und "Immigrant" ... Indicator ist einfach ein saustarkes Album. Und irgendwie ist es bei mir auch nur knapp an der Bestnote vorbeigeschrammt. Ebenfalls gibt es natürlich noch eine deutliche Empfehlung von mir, für die auf CD2 der Special Edition. "Young 2010" liefert hier zur Abwechslung auch einmal unbeschwerte Töne und "A fish called prince" ist in seiner Acoustic Live Version einfach nur sensationell.
Crystal Palace - 8 von 10
Komisch. Irgendwie scheint "Crystal Palace" bei manchem Fan durchgefallen zu sein. In meinen Augen zu Unrecht. Es enthält alles, was die Lakaien wie keine andere Band beherrschen. Sicher. Die Herren zitieren sich hier und da augenzwinkernd selbst. Aber das haben doch soviele Künstler in deutlich schamloserer Weise und vor allem in deutlich schlechterer Qualität getan. Schon den Auftakt mit "Nevermore", fand ich richtig stark. Hier mag auch geholfen haben, dass dieser Song einen Teil der Rhythmussequenz von "Contact" enthält. Ich sag nur "damm da-damm, damm da-damm, damm da-damm .... " Na - manch einem wird das vermutlich gar nicht aufgefallen sein.
Dann sind da diese schön treibenden Songs wie "The ride" und "Those hills", sowie das magische "Crystal Palace". Nein, Leute. So klingt kein schlechtes Album. Ganz im Gegenteil. Dann haben wir die richtig gelungenen ruhigen Perlen wie "The lights of our street", "Eternal sun" und "Pilgrim", die das Herz höher schlagen lassen. Auch den "Swan Song" liebe ich und würde ihn mir unbedingt mal live wünschen. Einzig "Portuguese Trails", "Why the stars" und die Single "Farewell" fallen für mich ein wenig ab. Was sich dann auch in der Gesamtpunktzahl niederschlägt. Alles in allem lege ich sie aber heute häufiger auf, als das andere 8 Punkte Album "Dark Star". In sofern kann ich hier weder Altersmilde noch Altersschwäche erkennen. Und ich hoffe inständig, dass Ernst und Alexander uns noch lange mit ihrer Musik erfreuen werden.